FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018
Foto: © Stockwerk-Fotodesign | stock.adobe.com E r war 45 Jahre alt, verheiratet, hatte einen zweijährigen Sohn und führte erfolgreich ein kleines Unternehmen. Eines Morgens stand er auf, brach im Bade- zimmer zusammen und verstarb kurze Zeit später. Als wenn der plötzliche Tod des Familienvaters allein nicht schon tragisch genug gewesen wäre, brachte er die Ehefrau zusätzlich in eine schwierige Lage: Der Mann hatte viele Verträge via Internet abgeschlos- sen. Auch einen Großteil des nicht unbeträcht- lichen Vermögens der Familie hatte er bei Onlinebanken und über digitale Broker ange- legt. Auch Bitcoins waren vorhanden, wie sich später herausstellte. Doch um sich überhaupt eine Übersicht verschaffen zu können, musste die Witwe den Computer ihres Mannes hacken lassen – das Passwort für den Rechner hatte er nirgendwo hinterlegt. Bis der PC geknackt war, konnte die Ehefrau nicht einmal die Heizung anstel- len. Denn das Smart Home, das die Familie bewohnte, wurde ebenfalls digital über den Computer des Verstorbenen gesteuert. Diesen Fall schilderte Stephanie Herzog, Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Peter & Partner aus Würselen bei Aachen, in ihrem Vortrag auf der Tagung „Kontakte 2018: Financial Planning Praxis“. Die EBS Finanzakademie veranstaltete die zweitägige Konferenz im September in Mainz. „Ganz ehrlich gesagt, habe ich diesen Fall aus zwei echten Situationen, in die Mandanten von mir geraten sind, zusammengestrickt“, sagt Herzog. Er stelle aber exemplarisch dar, was geschehen kann, wenn Menschen versterben, ohne sich Gedanken über ihren digitalen Nachlass gemacht zu haben. Der Begriff digitaler Nachlass ist noch relativ neu. Rechtlich gesehen verbergen sich dahinter Verträge mit Internetprovidern, jede Hard- und Software, Benutzer- und Firmen- profile im Netz, Apps, Blogs, digitale Ver- tragsbeziehungen, alle Onlinedokumente, digital angelegtes Vermögen und vieles mehr. „Genau wie der analoge Nachlass besteht das digitale Erbe aus einer Vielzahl von Rechts- positionen“, erklärt Herzog. Doch während die meisten Menschen ab einem gewissen Alter darüber nachdenken, wer ihr Erbe in der Offline-Welt antreten soll, werden die digita- len Rechtspositionen häufig vergessen. Noch nichts geregelt So hat etwa eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes Bitkom aus dem Jahr 2017 ergeben, dass bei acht von zehn deut- schen Internetnutzern der digitale Nachlass nicht geregelt ist. Dabei zeigen sich die über 65-Jährigen, die im Internet aktiv sind, beson- ders unbedarft: 98 Prozent der Befragten haben sich der Analyse zufolge noch nie dar- um gekümmert, wer einmal in ihre digitalen Fußstapfen treten soll. „Hier sehe ich enormen Beratungsbedarf“, sagt Herzog. Financial Plannern, Generationenberatern und Erb- schaftplanern empfiehlt sie, sich mit dem The- ma vertraut zu machen, damit sie ihren Kun- den bei der Regelung des digitalen Nachlasses beistehen können. „Ich finde das sehr wichtig, denn wenn sich Mandanten mit Problemen an uns wenden, ist das Kind meist schon in den Brunnen gefallen“, erklärt die Anwältin. Die gute Nachricht: Seit Juni 2018 sind die rechtlichen Regelungen für den digitalen Nachlass etwas klarer und einfacher. Bis da- hin herrschte überwiegend die Rechtsauffas- sung, dass digitale Daten, die nicht lokal auf dem Eigentum des Erblassers, sondern in einer Cloud gespeichert sind, je nach Inhalt unterschiedlich zu behandeln sind. Vermö- genswerte Inhalte, so die Meinung der meis- ten Juristen, hätten auf die Erben überzuge- hen, höchstpersönliche jedoch nicht. Diese standen nach der gängigen Auffassung den engsten Angehörigen zu – die nicht immer auch die Erben sind. Dies führte häufig zu Konflikten im Fami- lienkreis oder zu Problemen mit dem Testa- mentsvollstrecker. „Wollte dieser zum Bei- spiel an den PC des Verstorbenen, um zu prü- Ab einem gewissen Alter regeln die meisten Menschen ihr Erbe. Digitale Inhalte und Vermögenswerte werden dabei oft vergessen. Hier besteht Beratungsbedarf. Tod in der digitalen Welt Computer versperrt: Ein Todesfall in der Familie ist traurig. Haben die Erben aber keinen Zugang zu wichtigen digitalen Inhalten, weil keine Passwörter hinterlegt sind, kann zur Trauer schnell eine finanzielle Krise kommen. » Financial Planner, Generationenberater und Erbschaftsplaner sollten sich mit dem Thema digitaler Nachlass vertraut machen. « Stephanie Herzog, Kanzlei Peter & Partner 272 www.fondsprofessionell.de | 4/2018 vertrieb & praxis I digitaler nachlass
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