FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018

fen, ob er Geld bei Onlinebanken angelegt hatte, so kam es vor, dass Angehörige, das verhinderten“, berichtet Herzog. Das Argu- ment: In der Cloud könnten sich auch sehr persönliche Dateien befinden, die den Testa- mentsvollstrecker oder die Erben nichts an- gehen. „Mit der als Facebook-Urteil bekannt gewordenen Entscheidung hat der Bundes- gerichtshof aber klargestellt, dass digitale Inhalte auf die Erben übergehen, auch wenn sie persönlicher Natur sind“, sagt Herzog. Gegen Facebook gewonnen In dem Fall, über den die Karlsruher Rich- ter zu entscheiden hatten, ging es um ein 15- jähriges Mädchen, das von einer Berliner U- Bahn erfasst und tödlich verletzt worden war. Der Fahrer der U-Bahn verklagte die Eltern des Mädchens auf Schmerzensgeld. Die Toch- ter habe ihren Tod absichtlich herbeigeführt und ihn dadurch geschädigt, erklärte er. Um besser nachvollziehen zu können, womit sich ihre Tochter in der Zeit vor ihrem Tod beschäftigt hatte, versuchten die Eltern, das Facebook-Konto des Mädchens einzusehen. Freunde hatten es jedoch bereits in den Ge- denkzustand versetzt, sodass sie keinen Zu- griff hatten. Die Eltern wollten aber einerseits für sich persönlich ausschließen, dass ihre Tochter sich das Leben genommen hatte, und andererseits möglichst auch die Schmerzens- geldzahlung abwehren. Daher klagten sie gegen Facebook auf Zugang zum Konto der Tochter – und gewannen schließlich. „Dieser Fall hat klar gezeigt, dass es oft überhaupt nicht möglich ist, persönliche und vermögensrechtliche Aspekte voneinander zu trennen“, sagt Herzog. Seit dem Facebook- Urteil ist dies beim digitalen Nachlass auch nicht mehr nötig. Zudem können Internet-Pro- vider oder Betreiber sozialer Netzwerke die Herausgabe von Zugangsdaten verstorbener Kunden an ihre Erben nicht mehr mit der Be- gründung verweigern, sie seien persönlicher Natur. „Das heißt aber noch nicht, dass sie die Daten auch tatsächlich immer herausgeben“, weiß Herzog. Außerdem sei es zum Teil gar nicht so einfach, überhaupt einen Ansprech- partner zu finden, den man um die Herausga- be bitten könnte. Wenn die Zeit fehlt Daher raten viele Experten, eine möglichst immer aktuelle Liste mit wichtigen Zugangs- daten zu führen und diese auf einem ver- schlüsselten USB-Stick zu speichern (siehe Kasten unten auf der Seite). „Im Alltag wer- den die meisten Leute gar nicht dazu kom- men, Passwörter regelmäßig zu aktualisieren, den USB-Stick zu holen, die Liste zu anzu- passen, den Stick neu zu verschlüsseln und wieder an Ort und Stelle zu bringen“, weiß Herzog. Können Berater absehen, dass ein Kunde diesen Aufwand vermutlich nicht lei- sten wird, sollten sie ihm ans Herz legen, die Zugangsdaten zum wichtigsten Rechner und die Haupt-E-Mail-Adresse zu dokumentieren. „Wenn Erben diese Daten haben, können sie zumindest einsehen, welche Onlineverträge, Depots und Konten bestehen“, sagt die An- wältin. Schließlich bekomme jeder Online- kunde oder -anleger in regelmäßigen Abstän- den von seinen Vertragspartnern Mails. Wird tatsächlich eine Liste mit allen Zu- gangsdaten geführt, sollten Berater ihre Kun- den auf einen sehr wichtigen Punkt aufmerk- sam machen. „Zuweilen wird empfohlen, die Dokumentation der Vorsorgevollmacht oder dem Testament beizufügen“, weiß Herzog. Das sei jedoch falsch. Schließlich muss der Bevollmächtigte die Vollmacht etwa bei Ban- ken oder Behörden vorlegen. Und jeder, der einen Blick auf die Unterlagen wirft, sieht die aufgelisteten Passwörter und Benutzernamen. Es ist auch problematisch, die Liste dem Te- stament hinzuzufügen. Dieses wird vom Nachlassgericht geöffnet und aller Erben in Kopie zugestellt. Vielleicht möchte der Erb- lasser aber gar nicht, dass all seine Lieben sei- ne Cloud durchforsten können. „Am besten ist es, testamentarisch festzu- halten, wer Zugriff auf welche Inhalte erhalten soll“, rät Herzog. Diese Personen bekommen dann eine Liste mit den Zugangsdaten. Be- stimmte digitale Inhalte können auch einzel- nen Personen im Vermächtniswege zugewen- det werden. Aber: Der vermachte Gegenstand geht zunächst an die Erben, die ihn dann an die betreffende Person übertragen müssen. Und dann ist das Problem nicht, dass niemand das Passwort für den PC hat – sondern dass es zu viele haben. ANDREA MARTENS | FP Foto: © Kanzlei Peter & Partner Stephanie Herzog, Kanzlei Peter & Partner: „Beim digitalen Nachlass sehe ich enormen Beratungsbedarf.“ Rechtzeitig alles regeln: Praktische Tipps Damit sich Erben möglichst leicht einen Überblick darüber verschaffen können, welche Onlinedienste der Erblasser ge- nutzt hat, welche Rechnungen eventuell noch bezahlt werden müssen oder wel- che Summen bei welchem Robo angelegt sind, sollte bereits zu Lebzeiten Vorsorge getroffen werden. Berater tun gut daran, ihre Kunden dabei zu unterstützen. Überblick: Verschaffen Sie sich gemeinsam mit dem Kunden zu- nächst einen Überblick über seine Online- aktivitäten, über alle Accounts, und gehen Sie mit ihm durch, was im Todesfall damit passieren soll. Wer soll beispielsweise Zu- gang zu seinem E-Mail-Postfach erhalten? Sollen Profile in sozialen Netzwerken ge- löscht werden? Was soll mit Daten auf Endgeräten geschehen? Welche Verträge müssen gekündigt werden? Wo ist Geld angelegt? Gibt es Bitcoins? Dokumentation: Raten Sie dem Kunden, all seine Entscheidungen zu dokumentieren. Es kann auch empfeh- lenswert sein, dass er eine Person seines Vertrauens sozusagen als „digitalen Nachlassverwalter“ oder einen Vorsorge- bevollmächtigten bestimmt, der sich spä- ter um die Abwicklung des digitalen Erbes kümmern soll. In diesem Fall ist es wich- tig, dass der Kunde die gewünschte Per- son mit einer entsprechenden Vollmacht ausstattet oder sie im Testament benennt. Vorab informieren: Bei einigen Anbietern von Onlinediensten be- steht die Möglichkeit, Vorsorgemaßnah- men zu treffen. Raten Sie Ihrem Kunden, sich bei den jeweiligen Unternehmen über die Bedingungen und Gestaltungsmög- lichkeiten im Todesfall zu informieren. Die gewünschten Maßnahmen sollten dann zügig in die Wege geleitet werden. Passwörter-Liste: In den meisten Fällen benötigen Erben Nutzer- namen und Passwörter, um Zugang zu notwendigen Daten zu bekommen. Emp- fehlen Sie Ihren Kunden daher, ihre Zu- gangsdaten sauber zu dokumentieren, am besten auf einem USB-Stick. Die Doku- mentation sollte dann in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Der Stick sollte verschlüsselt und sicher aufbewahrt werden. Im Erbfall muss er auffindbar sein. Soll er nur bestimmten Person zu- gänglich sein, sollten diese über den Auf- bewahrungsort am besten schon zu Leb- zeiten des Inhabers informiert werden. 274 www.fondsprofessionell.de | 4/2018 vertrieb & praxis I digitaler nachlass

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