FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2018
Foto: © Nachwuchsforum Sparkasse Titisee Neustadt D er diesjährige Rekordsom- mer brachte wieder einmal die Frage auf, welche Klei- dung für Bankangestellte ange- messen ist. Von Mai bis Sep- tember schwitzten Banke- rinnen und Banker im ganzen Land in ihren dunklen Anzügen oder Feinstrumpfhosen – und sehnten sich nach einer funktionsfähigen Klimaanlage. Der Personalrat einer großen deutschen Landesbank, der bei der Hitzewelle Mitleid mit den Angestellten hatte, ließ verlauten, bei Bürotemperaturen von 35 Grad und mehr seien „einem für zwei Wo- chen auch mal Männer in Bermudas und Sandalen zuzumuten“. Vor nicht allzu langer Zeit wäre diese Ausnahme noch völlig un- denkbar gewesen. Wer vor 25 Jah- ren bei einer Bank oder Sparkasse eine Ausbildung absolvierte und bei warmem Wetter ohne Krawatte zum Dienst erschien, erhielt vomAusbildungsleiter einen Rüffel. „Was sollen denn unsere Kun- den denken?“, so der damalige Tenor. Auf eine akkurate Frisur legte man früher eben- falls noch großen Wert. Selbst in einer welt- offenen Stadt wie Köln durften männliche Bankangestellte, die lange Haare oder gar einen Zopf trugen, nicht im direkten Kontakt zum Kunden arbeiten. 20-seitiger „Style-Guide“ Doch die Zeiten haben sich geändert – und viele Institute passen sich in Sachen Kleidung den aktuellen Gepflogenheiten an. Auch die Sparkasse Hochschwarzwald geht neue Wege: Ein fünfköpfiges Team von Nachwuchskräf- ten entwickelte für das Institut aus Titisee- Neustadt einen Dresscode, der in einem rund 20-seitigen „Style-Guide“ dokumentiert wird. Das Büchlein soll den Mitarbeitern helfen, sich im Modedschungel zu orientieren. Erlaubt sind beispielsweise dunkle Jeans und Chinohosen sowie für den Mann zudem ein Freizeithemd und Freizeitsakko. Krawat- tenzwang gibt es nicht mehr. „Mit dem neuen Dresscode gehen wir auf die veränderten Kundenerwartungen ein und möchten uns modern und offen präsentieren“, sagt Privat- kundenberaterin Jasmin Siebler. „Ebenso wol- len wir für junge Mitarbeiter und Auszubil- dende als Sparkasse attraktiv sein und nicht mit einem strengen Dress- code abschrecken.“ Vor- reiter der neuen Lässig- keit seien Topmanager oder Firmenchefs wie Dieter Zetsche, der einen neuen Mercedes-Benz schon mal in sportlichen Sneakers präsentiert. Auch Politiker in Turn- schuhen lösen längst kein Medienecho mehr aus – ganz anders als noch Joschka Fischer in den 1980er-Jahren. Minirock tabu Auch in Sachen Körper- schmuck, der bei vielen jungen Menschen ange- sagt ist, geben sich die Schwarzwälder Banker tolerant. „Für unsere Mit- arbeiterinnen und Mitar- beiter sind dezente Tat- toos ohne politische und religiöse Statements sowie Nasen- und Ohr- piercings erlaubt“, sagt Siebler. „Beides muss für das Gegenüber jedoch noch ästhetisch wir- ken.“ Nicht erlaubt sind hingegen Nasenringe. Bei der Kleidung gelten kurze Hosen oder Miniröcke als „No-go“. Ebenfalls tabu sind Kapuzenpullis, knappe Tops, Flipflops und Turnschuhe. Joschka Fischer würde also kei- nen Job am Titisee bekommen. Trotz aller neuen Freiheiten darf „Mann“ aber weiterhin eine modisch schicke Krawatte und einen dunklen Anzug tragen. Die Stilfibel, bei deren Entwicklung eine Grafikerin und ein professioneller Fotograf halfen, wurde den Angestellten in zwei Mitarbeiterveranstaltun- gen vorgestellt. Hinzu kamen separate Bera- tungsabende in zwei Modehäusern. Anfangs habe die Belegschaft eher verhalten reagiert, mittlerweile hätten sich die neuen Regeln aber eingespielt, so Siebler. „Die große Mehrheit der Mitarbeiter begrüßt den neuen Dresscode; einige experimentieren noch damit.“ Gut komme an, die Kleidung sowohl im Beruf als auch in der Freizeit nutzen zu können. Krawatte ade, Tattoo okay ! Das Nachwuchsforum der Spar- kasse Hochschwarzwald hat den „Style-Guide“ ent- wickelt, der Mitarbeitern Orientierungshilfe im Mode- dschungel geben soll (v. l. n. r.): Jasmin Siebler, Kevin Faller, Lisa Löffler, Viktor Kelm und Marina Lüders. Einige Banken und Sparkassen lockern die strengen Kleiderregeln für ihre Mitarbeiter. Selbst Piercings sind in manchen Instituten nicht mehr tabu. High-Heel-Gate in London Die 27 Jahre alte Engländerin Nicola Thorp, die im Auf- trag einer Personalverleihfirma am Empfang der Wirt- schaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft Price- waterhouse Coopers in London tätig sein sollte, wurde 2016 an ihrem ersten Arbeitstag nach Hause geschickt, weil sie keine Schuhe mit hohen Absätzen trug. In der Geschäftsordnung hatte ihr Arbeitgeber für Empfangs- sekretärinnen das Tragen von High Heels verbindlich vor- geschrieben. Nach einem landesweiten Proteststurm, an dem sich über 100.000 Menschen beteiligten, wurde der entsprechende Passus gestrichen – und Thorp konn- te mit flachen Schuhen zur Arbeit kommen. 342 www.fondsprofessionell.de | 4/2018 bank & fonds I kleiderordnung
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