FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2019

Foto: © Christoph Hemmerich José Manuel Durão Barroso, von 2004 bis 2014 Präsident der Europäischen Kommission „Ein Brexit wird keine Nachahmer finden“ Der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso war einer der Starredner am diesjährigen FONDS professionell KONGRESS. Wir haben mit ihm über die Zukunft der Europäischen Union gesprochen. Z wei Amtszeiten lang stand der frü- here Premierminister Portugals an der Spitze der Europäischen Kom- mission. Unter seiner Führung hat die Kommission die ersten Vorschläge für eine Bankenunion erarbeitet. Herr Barroso, wer die Berichterstat- tung über die Entwicklung der Euro- päischen Union verfolgt, kann den Eindruck gewinnen, dass die Skepsis gegenüber dem Gemeinschaftspro- jekt wächst. Stimmen Sie zu? José Manuel Barroso: Vordergründig mö- gen Sie recht haben. Aber die Wider- standsfähigkeit der Europäischen Union ist heute größer, als viele Kritiker meinen. Die Staatengemeinschaft ist gestärkt aus den hinter uns liegenden Krisen hervor- gegangen und heute besser für künftige Verwerfungen gewappnet. Daher sollten wir die gewonnenen Errungenschaften der EU sehr viel stärker wertschätzen. Aber auch Sie haben doch in Ihrer Rede gerade betont, dass es weitere Krisen geben wird, auch wenn wir heute noch nicht wissen, wann das sein wird. Davon bin ich auch überzeugt, aber wir sind heute besser vorbereitet. Für eine globale Finanz- wie eine europäische Staatsschul- denkrise waren die EU-Institutionen nicht gewappnet. Instrumente zur Stützung ange- schlagener Staaten gab es nicht, sie mussten in Rekordzeit errichtet werden. Durch den Aufbau des Euro-Rettungsschirms sowie die nach wie vor imAufbau befindliche Banken- union ist aber heute das Rüstzeug geschaffen, um künftige Krisen besser abzuwehren. Aber wir müssen die Dinge in der EU zu Ende bringen, damit bestehende Zweifel ver- schwinden oder zumindest reduziert werden. Wie muss die Agenda denn aussehen? Aus meiner Sicht müssen drei Aspekte ganz oben auf der Liste stehen: die Vollendung der Bankenunion, eine Stärkung des Stabilitäts- mechanismus ESM als echter Backstop für den Finanzsektor in Europa und der Aufbau einer eigenständigen Fiskalkapazität in der Eurozone. Und im Prinzip ist diese Agenda ja auch schon akzeptiert. Wobei es gerade beim Thema Fiskal- union erhebliche Widerstände gibt. Deshalb muss man die Sorgen von Staaten wie den Niederlanden und Deutschland, wo schon immer starke Widerstände gegenüber jeder Form von Vergemeinschaftung bestan- den, ernst nehmen und angehen. Nach meiner eigenen Erfahrung ist es in Europa sinnvoll, ein Problemfeld zu erweitern, um zu einer Lösung oder Kompromissen zu kommen. Das hört sich seltsam an … … hat aber in der Vergangenheit geholfen. Nehmen Sie das Thema Klimawandel. Wenn wir damals nur Vorschläge für neue Grenz- werte zur Reduzierung von CO 2 vorgelegt hätten, wären wir nie zu einer Einigung gekommen. Ab dem Zeitpunkt, da wir das Problem erweitert und nicht mehr nur über Klimawandel diskutiert haben, son- dern auch über eine sichere Energiever- sorgung in Europa, waren auf einmal auch Länder mit im Boot, die dem CO 2 - Thema skeptisch gegenüberstanden – weil sie Garantien bei der Energieversorgung haben wollten und bekommen haben. Am Ende war es ein großer Gewinn für alle, sowohl in Bezug auf das CO 2 -Thema als auch die Energieversorgung in Europa. Und was meinen Sie mit „konsequent sein in unserem Bekenntnis zum Euro und bereit sein zu Reformen“? Gerade mit Blick auf die Machtposition der USA und das immer weiter erstarken- de China ist eine engere Kooperation der europäischen Staaten unentbehrlich. In der weltweiten Gemengelage hat keines der EU-Mitglieder allein genug Gewicht, um weltpolitisch und weltwirtschaftlich eine bedeutende Rolle zu spielen. Ihre Prognose zum Brexit? Ich halte den Ausstieg Großbritanniens aus der EU nach wie vor nicht für unvermeidbar. Der Brexit ist auf Fehler, insbesondere bri- tischer Politiker, zurückzuführen. Wenn 40 Jahre lang die Europäische Gemeinschaft auf der Insel schlechtgeredet wird, kann man nicht die Menschen innerhalb von vier Monaten von ihren Vorteilen überzeugen. Für nationale Regierungen ist es stets bequem, sich Erfolge auf die eigenen Fahnen zu schreiben und Misserfolge auf die EU zu schieben. Ich weiß das, denn ich habe selbst eine nationale Regierung geführt. Aber letzt- lich ist die britische EU-Skepsis im Grunde nur destruktiv, und die Furcht vor chaotischen wirtschaftlichen Folgen wächst. Der einzige Vorteil, den das hat: Ein Brexit wird keine Nachahmer finden. Wir danken für das Gespräch. HANS HEUSER| FP José Manuel Barroso: „Wir müssen die Dinge in der EU zu Ende bringen, damit bestehende Zweifel verschwinden.“ 18 www.fondsprofessionell.de | 1/2019 rückblick I fonds professionell kongress 2019

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