FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019

Foto: © Andy Lane A ls Matt Siddle vor sieben Jahren das Kommando beim Fidelity European Growth übernahm, litt das einstige Flaggschiff unter Verfalls- erscheinungen. Siddle war nach Anthony Bolton, Graham Clapp und Alexander Scurlock der vierte Kapitän, der binnen zehn Jahren das Ruder anvertraut bekam. Hatte das Dickschiff unter Clapp noch ein Gewicht von gut 25 Milliarden Euro auf die Waage gebracht, war das Volumen durch Mittelabzüge und eine schlingernde Performance auf unter sieben Milliarden geschrumpft. Seit Siddles Amtsantritt hat das Portfolio, das hierzulande häufig in Fondspolicen eingesetzt wird, wieder in ruhigeres Fahrwasser zurückgefunden. Welche Strategie er verfolgt, verrät Siddle beim Gespräch in London. Herr Siddle, welche Entwicklungen oder Trends beeinflussen gegenwärtig die Ent- wicklung an den europäischen Aktien- märkten? Matt Siddle: Ich schaue an erster Stelle auf die spezifischen Wachstumstreiber eines Unterneh- mens und nur nachrangig auf Trends oder kon- junkturelle Entwicklungen. Das können neue Produkte oder Dienstleistungen sein, je nach Branche, Nische oder Firma. Wenn ich mit Blick auf einen bestimmten Trend nach Anla- gezielen suchen würde, wäre ich mit einem Problem konfrontiert: Es gibt kaum Themen, die nicht schon jemand anders entdeckt hat. Fördert der Fokus auf Unternehmen tat- sächlich andere Ergebnisse zutage als der Blick auf allgemeine Entwicklungen? Ja. Wenn man auf Basis einer Top-down-Stra- tegie arbeitet, reiht man sich in eine Schlange mit vielen anderen Investoren ein, die ebenfalls die dazu passenden Geschäftsmodelle kaufen möchten. Verfolgt man hingegen wie ich einen Bottom-up-Ansatz, dann konzentriert man sich auf die Wachstumstreiber und Risiken, die je nach Unternehmen unterschiedlich ausfallen. Auf diese Faktoren schauen weniger Augen als auf ein großes Thema wie Digitalisierung, Demografie oder Ähnliches. Dies eröffnet die Chance, gute Unternehmen zu einem günsti- gen Preis zu kaufen. Wieso verfolgen dann so viele Investoren einen Top-down-Ansatz? Ich will damit nicht sagen, dass der eine dem anderen Investmentansatz überlegen ist, sondern, dass dies nicht der Weg ist, wie ich investiere. Ich schaue auf die individuellen Wachstumstreiber eines Unternehmens und ob sich diese in der Bewertung widerspiegeln. Kurz gesagt: Ich suche qualitativ hochwertige Unternehmen, die organisch wachsen können und bei denen die Aktien eine niedrige Be- wertung aufweisen. Weshalb haben Sie diese Herangehens- weise gewählt? Dies entspringt meiner Vergangenheit bei Fidelity International. Ich begann meine Kar- riere im Jahr 1999 als Analyst, kurz vor dem Höhepunkt der Dotcom-Blase. Es gab damals viele Wachstumsunternehmen, und es kursier- ten zahlreiche vermeintliche Wachstums- trends. Den Unternehmen ging es gut, und die Aktien handelten mit erheblichen Kursauf- schlägen an den Börsen. Als Berufsanfänger wurde ich allerdings mit der Versicherungs- branche betraut – wo sich keine spannen- den Unternehmen und heißen Wachs- tumsgeschichten fanden. Was fanden Sie stattdessen vor? Zahlreiche Versicherer rangen mit Proble- men. Zu dieser Zeit häuften sich unter an- derem Forderungen aus Asbestschäden. Einige Gesellschaften mussten Rückstel- lungen bilden. Bei manchen schlug sich das erheblich auf die Bilanzen nieder. Doch ich leistete offenbar gute Arbeit und wurde zum Tech-Analysten befördert. Und dann? Dann kam der März 2000. Es hagelte Ge- winnwarnungen. In dem folgenden Crash kollabierten die ambitionierten Bewertungen. In dieser Zeit habe ich zwei Wege gesehen, wie Geld verbrannt wurde. Der erste ist: ein schlechtes Geschäftsmodell zu kaufen. In der Technologieblase steckten die Geschäftsmo- delle mancher Firmen höchstens in der Kon- zeptphase. Einige erzielten keine Gewinne, manche nicht einmal Umsätze. Wie verbrennt man noch Geld? Der zweite Weg war, einen zu hohen Preis für gute Geschäftsmodelle zu bezahlen. Unter- nehmen wie SAP oder Dassault Systèmes sind fantastisch geführt, ungeheuer erfolgreich und weisen seit 20 Jahren Wachstum auf. Dennoch verlor man zwischen 2000 und 2003 Geld mit den Aktien. Denn sie waren mit einem Vielfachen ihres Gewinns bewertet, und die Aktienkurse gerieten in einen langen freien Fall. Worauf schauen Sie bei den Unter- nehmen? Ich möchte die genannten beiden Fehler ver- meiden: Ich suche solide und wachstums- trächtige Geschäftsmodelle zu einem guten Preis. Die Konzerne sollten nachhaltig Gewin- ne für die Anteilseigner erwirtschaften und bestenfalls noch eine Eintrittsbarriere um ihr Geschäft gezogen haben. Ich muss nicht Zahlreiche Aktien sind hoch bewertet. Die Investorenschar übersieht jedoch viele gute Unternehmen mit günstiger Bewertung, meint Matt Siddle , der die Fidelity -Flaggschiffe European Growth und European Larger Companies lenkt. Zudem verrät er, welche Lektionen er in seiner Zeit als Technologiewerte-Analyst gelernt hat. „Die Herde der Anleger drängt » Es gibt einige Unter- nehmen, die nicht in das Schema der gerade angesagten Investment- themen passen. Diese Titel sind günstig. « Matt Siddle, Fidelity International markt & strategie I matt siddle | fidelity international 122 www.fondsprofessionell.de | 3/2019

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