FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019

Gesamtkosten und eine Beschreibung, wie die Kosten den Gewinn verringern, nicht stehen. Außerdem gibt es bei neuen Anbietern keine Informationen über die Vergangenheit. Aber deswegen ist ein Produkt nicht automatisch schlecht. Mayer: Nein, aber der Verbraucher muss die Chance haben zu erkennen, ob das Angebot wirtschaftlich dauerhaft tragfähig ist. Denn bei vielen Vermögensanlagen ist er ohne Kündi- gungsmöglichkeit langfristig gebunden. Und es gibt keinen wirklich funktionierenden Zweitmarkt. Der Verbraucher muss also da- rauf vertrauen, dass die Anlage funktioniert. Dazu braucht er mehr Informationen. Das muss der Gesetzgeber regeln. Die Prospekte und VIB werden von der Bafin freigegeben, und die hat darauf zu achten, dass die Unterlagen gesetzes- konform sind. Deshalb kann man doch nicht die Anbieter kriminalisieren! Mayer: Das ist keine Kriminalisierung, son- dern eine Feststellung. Der Verbraucher muss dem Anbieter einen Vertrauensvorschuss geben – und das ist bei einer Geldanlage nicht ganz ohne. List:  In Deutschland tun wir oft so, als müss- ten wir die Menschen an die Hand nehmen und vor sinisteren Anbietern schützen. Ich bin überzeugt, dass Kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge und Eigenverantwortlichkeit effektiver sind als immer neue Regulierungs- runden. Beispiel Verkaufsprospekte: Mittler- weile sind die AIF-Prospekte „Enthaftungs- prospekte“, die von Juristen geschrieben und von Anlegern kaum noch verstanden werden können. Außerdem werden vielfach keine Prognoserechnungen mehr veröffentlicht. Die- se sind für Anleger, gerade weil sie sich lang- fristig binden, aber entscheidend. Das heißt, der Regulierung wurden auch bewährte Bran- chenstandards geopfert. Mayer: Vielen Verbrauchern fehlt die wirt- schaftliche Bildung, um die Angebote zu ver- stehen. Jemand, der zum ersten Mal ein VIB liest, wird es nicht verstehen. Die Idee des Gesetzgebers war aber, dass man anhand der VIB Produkte miteinander vergleichen kann. In den dreiseitigen VIB geht es größten- teils um die Risiken, was auf Anleger ab- schreckend wirkt. Das müsste doch ganz in Ihrem Sinn sein, oder? Mayer: Der Verbraucher scheitert doch schon an der Beschreibung des Anlageobjekts. List: Was Sie sagen, könnte man als Argu- ment gegen die Regulierung verwenden, denn mit dem VIB wollte der Gesetzgeber eine ein- fache Produktdarstellung ermöglichen. Dahin- ter steckt jedoch meines Erachtens ein fal- scher Ansatz. Eine vollständige Darstellung von Anlagemarkt und Produkt kann nur über den Verkaufsprospekt erfolgen. In diesem Zusammenhang ist übrigens die aktuelle Be- freiung von der Prospektpflicht für Schwarm- finanzierungen, die ausschließlich über das Internet vermittelt werden, bemerkenswert. Mayer: Diesen Sonderfall wollte der Gesetz- geber. Uns fällt aber auf, dass das Internet auch bei den klassischen Vermögensanlagen zum Beispiel mit Kunden-Webinaren genutzt wird. Das hat mit dem klassischen Vertrieb nichts zu tun. Vermittler spielen bei vielen Kunden eine wesentliche Rolle bei derAnlageentschei- dung. Ist ein Berater, der eine geprüfte Vermögensanlage anbietet, ein ordentli- cher Vermittler oder ein grauer Wolf? Mayer: Es gibt viele Vermittler, die den An- reizen anheimgefallen sind und eben nicht das qualitativ beste Produkt verkaufen, sondern das mit der höchsten Provision. Entscheidend ist, dass der Anleger einen guten Berater fin- det. Zu uns kommen Verbraucher mit Stapeln an Unterlagen, die sie als Selbstentscheider im Internet gefunden oder von einem Vermitt- ler erhalten haben, aber nicht verstehen. List: Anlagen, die als Komplettverlust enden oder Betrugsfälle sind, machen nur einen klei- nen Prozentsatz des Gesamtmarktes aus. Die Schlussfolgerung kann aber doch nicht sein, dass der gesamte Markt eingestampft wird. Wir haben viele sehr zufriedene Anleger, die immer wieder bei uns investieren, und sehr erfahrene Vertriebspartner, die seit vielen Jah- ren mit uns zusammenarbeiten. Berater, die langjährig im Markt sind, haben die Erfah- rung, welche Angebote funktionieren können. Mayer: Wir leben in einer Marktwirtschaft, und natürlich kann ein Verbraucher, wenn er es für richtig findet, eine Vermögensanlage oder einen AIF kaufen. Wichtig ist aber, dass die Geldanlagen den Wünschen, Zielen und Vermögensverhältnissen des Verbrauchers ent- sprechen. Ich mache seit Anfang der 1990er- Jahre Beratung, und es ist äußerst selten, dass eine Vermögensanlage zu den Verhältnissen und Zielen eines Verbrauchers passt. » Der Verbraucher muss dem Anbieter einen Vertrauensvorschuss geben – und das ist bei einer Geld- anlage nicht ganz ohne. « Brigitte Mayer, VBZ Hessen Foto: © Jose Poblete Brigitte Mayer, VBZ Hessen Brigitte Mayer ist Beraterin für Finanzthemen bei der Verbraucherzentrale Hessen. Durch 30 Jahre Exper- tise in der Verbraucherberatung besitzt sie umfang- reiches Fachwissen insbesondere in der Altersvor- sorge, in der Geldanlage und zu Versicherungen. Seit Ende 2014 ist Brigitte Mayer zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Beraterin als Referentin im Projekt „Markt- wächter“ tätig. Der Marktwächter-Schwerpunkt in Hessen befasst sich mit den Anbietern und Produkten des sogenannten „Grauen Kapitalmarktes“. STREITGESPRÄCH sachwerte I streitgespräch | brigitte mayer | vbz hessen  rober t list | asuco 220 www.fondsprofessionell.de | 3/2019

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