FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019
273 www.fondsprofessionell.de | 3/2019 Kriterien anlegen, teilweise aber auch im vorauseilenden Gehorsam, weil man bereits den zunehmenden Druck von der politischen Seite spürt. Eckhard Sauren (Sauren Fonds-Service): Wobei wir bei den Zahlen zum Bereich der privaten Fondsanlage natürlich nur vom Bestand spre- chen. Nach unserer Wahrnehmung zeigt sich auf Seiten der Mittelzuflüsse durchaus ein anderes Bild, das eher der von Herrn Liebe geschilderten Entwicklung entspricht. Thomas Mayer (FvS Research Institute): Aller- dings werden meiner Ansicht nach die Bäume in dieser Beziehung auch nicht in den Himmel wachsen. Natürlich ist das Thema ESG und nachhaltiges Anlegen derzeit in aller Munde – allein schon weil es von politischer Seite immer weiter befeuert wird in der Erwartung, damit Wählerstimmen gewinnen zu können. Und insti- tutionelle Investoren wollen sich da natürlich möglichst politisch korrekt verhalten und ziehen entsprechend in vorauseilendem Gehorsam mit. Wir wissen aber auch aus entsprechenden Um- fragen, dass die Menschen zwar in der Regel zu einem enorm hohen Prozentsatz entsprechende Maßnahmen und Investments, die dem Klima- schutz dienen, befürworten. Wenn es ans Zahlen geht, sieht die Sache aber anders aus. Denn berappen, etwa in Form einer geringeren Perfor- mance, möchte am Ende natürlich niemand für mehr Nachhaltigkeit in seiner Geldanlage. Daher wird der eingangs beschriebene sehr positive Trend sich sicher noch eine Weile so fortsetzen. Aber ich erwarte, dass es auf Seiten der Privat- anleger und letztlich auch bei einer breiteren Anlegerschicht durchaus Widerstand oder eine Art Gegenbewegung geben wird, sobald den Anlegern klar wird, dass es Klimaschutz eben nicht zum Nulltarif gibt. Verena Kienel (Ökoworld): Das kann ich so überhaupt nicht bestätigen. Als Asset-Manage- ment-Boutique, die sich ausschließlich auf das Thema nachhaltige Geldanlage spezialisiert hat, beobachten wir die Entwicklung schon seit einer geraumen Zeit. Unser erster Fonds, der Öko- vision Classic, wurde bereits vor mehr als 20 Jahren aufgelegt. Ein Großteil der Assets in die- sem Fonds ist gerade in den letzten drei Jahren zugeflossen, mit allen Höhen und Tiefen an den Kapitalmärkten. Deshalb kann ich ehrlich gesagt nicht erkennen, warum es auf Seiten der Privat- anleger zu einer solchen Gegenbewegung kom- men sollte. Im Gegenteil, wir erleben vielmehr in der Praxis, dass die Nachfrage nach wie vor deutlich zunimmt. Das drückt sich eben nicht nur in Zahlen bezüglich der Mittelzu- flüsse aus, die in der jüngeren Zeit um jähr- lich über 30 Prozent gesteigert werden konnten. Auch das allgemeine Interesse an unserem Thema nimmt deutlich zu, wenn unsere Anleger vermehrt nachfragen oder eben sehr viel konkreter wissen wollen, warum wir in einzelne Unternehmen oder Branchen investieren. Dan Sauer (Nordea Asset Management): Ich bin da auch eher bei der Wahrnehmung, wie sie Frau Kienel und Herr Liebe be- schrieben haben. Der Sustainable Finance Action Plan der Europäischen Kommission war wirklich ein extrem starker Auslöser für eine Entwicklung, wie wir sie derzeit beobachten, und den damit entstandenen enorm starken Anstieg der Nachfrage nach ESG-Investments. Wobei wir ja nach wie vor mit einer ganzen Reihe von Problemen konfrontiert sind, was die Komplexität des Themas an sich und die Vielfalt dessen, was man unter nachhaltigem Investieren versteht, aber auch die Messbarkeit von Nachhaltigkeit angeht. Bei vielen dieser Aspekte sind wir meiner Ansicht nach heu- te noch immer nicht viel weiter, als wir das schon vor 15 Jahren gewesen sind. Was sich aber meines Erachtens deutlich geklärt hat – und da bin ich vollkommen anderer Ansicht als Professor Mayer –, das ist die Frage nach den Kosten und dem damit verbundenen negativen Einfluss auf die Performance. Heuser: Wie meinen Sie das konkret? Sauer: Die Annahme, wonach nachhaltiges Investieren zulasten der Performance gehen muss und der Anleger am Ende dafür bezahlt, ist nach meiner Wahrnehmung längst überholt. Auch viele Privatanleger, und hier vor allem jün- gere Kunden, betrachten ihre Geldanlagen schon seit geraumer Zeit nicht mehr nur unter dem Risk-Return-Aspekt, sondern gehen sehr viel holistischer mit dem Thema um, indem sie bewusst hinterfragen, was da mit ihrem Geld eigentlich passiert. Daher wird sich letztlich die Diskussion um eine vermeintlich schlechtere Performance von nachhaltigem Investieren sozusagen von selbst erledigen – nicht zuletzt auch weil sich die Perspektive auf Seiten der Großanleger verändert hat. Nachhaltigkeit wird dort heutzutage nicht mehr – wie vielleicht noch vor einigen Jahren – als Performancekiller betrachtet, sondern vielmehr als eine durchaus opportune Möglichkeit, zum einen seine Port- foliorisiken zu reduzieren und zum anderen einen langfristig sogar höheren Ertrag zu erwirt- schaften. Wobei man die Diskussion darüber – fast schon vergleichbar mit der Debatte über aktives versus passives Investment – wahr- scheinlich bis in die Unendlichkeit führen kann. Aber die Berücksichtigung von ESG-Kriterien ist wirklich schon längst kein Trend mehr. Richter: Es ist schon deshalb kein Trend mehr, weil die Berücksichtigung von Nachhaltig- keitsaspekten demnächst auf unterschiedlichen Ebenen gesetzlich vorgeschrieben sein wird. Thomas Mayer (Flossbach von Storch Research Institute): „Es kann nicht unsere Aufgabe sein, für das Versagen der der Politik geradezustehen.“ » Ich erwarte, dass es auf Seiten der Privatanleger und letztlich auch bei einer breiteren Anleger- schicht durchaus Widerstand oder eine Art Gegenbewegung geben wird, sobald den Anlegern klar wird, dass es Klimaschutz eben nicht zum Nulltarif gibt. « Thomas Mayer, Flossbach von Storch Research Institute
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