FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019

fügbaren Bewertungsangebote durch auf ESG- Aspekte spezialisierte Ratingagenturen zu einer Beantwortung ihrer Fragen zu kommen, ist für viele Marktteilnehmer nicht wirklich hilfreich. Denn bei genauem Hinsehen fällt schon auf, dass die Bewertungsergebnisse zum Teil extrem heterogen ausfallen. Bei vielen Unternehmen kommen die einzelnen Ratingagenturen zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen, was deren ESG-Scoring angeht. Zudem arbeiten diese Anbieter im Grunde rein quantitativ, ihre Bewertung basiert rein auf der Betrachtung der Portfolioebene. Eine Verbindung zur qualitativen Beurteilung eines Fonds oder die Berücksichti- gung von Performanceaspekten finden bei die- sen Analysen ja im Grunde gar nicht statt. Das war uns vor dem Hintergrund unseres qualitati- ven Analyseansatzes, bei dem der Fondsmanager nach wie vor im Vordergrund steht, zu wenig. Anders gesagt könnte man auch fragen, was die beste Beachtung von ESG-Kriterien nutzt, wenn die Wertentwicklung des betreffenden Fonds am Ende enttäuschend ausfällt. Deshalb haben wir einen eigenen Ansatz zur Einbeziehung und Bewertung von ESG-Aspekten entwickelt. Heuser: Bedeutet das, dass Sauren Fonds-Ser- vice jetzt zur ESG-Ratingagentur wird? Sauren: Wir nennen unseren Ansatz ESG- Scoring und versuchen damit, die Aussicht auf eine realistische Chance einer über- durchschnittlichen Wertentwicklung mit der realistischen Chance einer überdurchschnitt- lichen Berücksichtigung von Nachhaltig- keitsaspekten zu verbinden. Deshalb gehen wir im Grunde genommen unter zwei ver- schiedenen Gesichtspunkten einen etwas anderen Ansatz als die bisher am Markt verfügbaren Angebote. Zum einen sind unser Ausgangspunkt Fondsmanager, die nach unserer Einschätzung auch in Zukunft in der Lage sein werden, Alpha zu gene- rieren, sprich eine überdurchschnittliche Wertentwicklung zu erzielen. Im Grunde schauen wir uns jene Fondsmanager, die wir ohnehin in unserem qualitativen Analyse- prozess bewerten, einfach noch etwas inten- siver an, eben unter unserem eigenen ESG- Scoring. Dazu gehören sowohl eine quan- titative Analyse seines Portfolios als auch die qualitative Analyse im direkten Gespräch mit dem Fondsmanager, in dem wir ihm spezielle Fragen in Bezug auf die ESG-The- matik stellen. Heuser: Was ist der zweite Gesichts- punkt? Sauren: Ich denke, dass wir schon allein über unsere Analyse, sprich: über die Fragen, die wir in unseren Gesprächen den von uns analysierten Fondsmanagern stellen, einen Prozess in Gang setzen, der am Ende eine positive Wirkung gerade in Bezug auf die ESG-Thematik haben wird. Man kann im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit theoretisch unendliche Diskussionen abhalten, die am Ende dennoch zu keiner Veränderung führen werden. Aber wenn man einen Fondsmanager dazu bringt, sich wirklich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie viele Nachhaltigkeitskriterien er in seinem Prozess tatsächlich bereits integriert hat bezie- hungsweise ob eine stärkere Berücksichtigung von ESG-Themen eventuell sinnvoll sein könn- te, dann wird das am Ende des Tages auf jeden Fall konkrete positive Auswirkungen haben. Denn wir sind entgegen manchen Skeptikern wie auch einige andere hier in der Runde davon überzeugt, dass das ESG-Thema eine so große Bedeutung erlangen wird, dass es nicht nur nicht mehr zu stoppen sein wird, es wird vielmehr rapide an Bedeutung gewinnen. Heuser: Worauf basieren diese Erwartungen? Sauren: Wir spüren es schon jetzt in den Gesprä- chen mit den Beratern, mit denen wir in Kontakt sind. Die Nachfrage seitens der Berater nach ent- sprechenden ESG-Lösungen steigt stetig, und zwar extrem schnell. Wenn wir vor einem halben Jahr zehn Berater gefragt haben, wer von ihnen sich mit dem Nachhaltigkeitsthema beschäftigt, dann war es vielleicht einer. Heute sind es bereits über fünf, und nach unserer Ein- schätzung werden es schon bald alle zehn sein – einfach weil sie in Zukunft keine andere Wahl haben werden. Heuser: Ist das nicht eine etwas übertriebene Erwartung, was den Nachfrageanstieg an- geht? Liebe: Ich glaube nicht, dass die Erwartung in Bezug auf den Nachfrageanstieg, wie sie Eck- hard Sauren formuliert hat, übertrieben ist. Für unsere Gesellschaft kann ich berichten, dass sich mehr als 100 Prozent der Nettonachfrage im lau- fenden Jahr auf unsere thematischen umweltbe- zogenen Aktienfonds bezogen hat. Das bedeutet, dass mehr als die gesamten Nettomittelzuflüsse in diese Fonds erfolgt sind, während die Mit- telflüsse in anderen Fondsprodukten stagniert haben. Uns hat das dazu bewogen, dass wir für unsere Wasserstrategie namens Pictet Water, die in Unternehmen aus dem Bereich Wasserversor- gung und -aufbereitung investiert und ursprüng- lich gar nicht als nachhaltiges Produkt konzipiert war, den formalen Schritt vollzogen haben, auch den Investmentprozess dieses Fonds mit entspre- chend strengen ESG-Kriterien zu hinterlegen. Im Prinzip hat das gar nicht sehr viel verändert, aber wir gehen jetzt sehr viel bewusster damit um. Wir haben zum Beispiel damit begonnen, Impact Reports zu publizieren, für die genau gemessen wird, welche Auswirkungen ein Investment von einer Million Euro in diesen Fonds auf Wasserreinhaltung, Schutz des Grund- wasserspiegels und so weiter am Ende haben wird. Das alles sind Aspekte, die die Asset- Management-Industrie qualitativ massiv voran- bringen werden. Und das eigentlich nur, weil wir Verena Kienel (Ökoworld): „Der Finanzindustrie kommt im Zusammenhang mit dem Thema ESG eine Schlüsselrolle und eine besondere Verantwortung zu.“ 276 www.fondsprofessionell.de | 3/2019 roundtable I nachhaltiges investieren I esg Fotos: © Jose Poblete » Ein Großteil der Assets in unserem größten Fonds, dem Ökovision Classic, ist gerade in den letzten drei Jahren zugeflossen, mit allen Höhen und Tiefen an den Kapitalmärkten. « Verena Kienel, Ökoworld

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