FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019

norwegische Staatsfonds hat nicht umsonst angekündigt, dass er sich aus europäischen Aktien zurückziehen wird. Und auch wir haben ähnliche Überlegungen angestellt. Sauren: Ob es aber eine so gute Entscheidung ist, stattdessen in den USA oder in China zu investieren – beides Länder, die so gut wie gar nichts mit dem Thema Nachhaltigkeit am Hut haben –, sei auch einmal dahingestellt. Heuser: Aber lassen Sie uns kurz beim The- ma Performance bleiben. Sie haben in dieser Hinsicht über durchaus positive Erfahrungen zu berichten, Herr Hesse. Hesse: Gerade in einer Zeit von sozusagen nicht mehr vorhandenen Zinsen kommt es natürlich gerade in der Performancebetrachtung auf jede Nachkommastelle an. Daher kann ich durchaus verstehen, dass eine gewisse Angst im Markt besteht, dass es durch die Integration von ESG- Kriterien zu Performanceeinbußen kommen könnte. Nach unseren Ergebnissen aber können nachhaltiges Investieren und eine auskömmliche Rendite durchaus im Einklang miteinander stehen. Das muss keineswegs einen Widerspruch darstellen, wie das gern von interessierter Seite kolportiert wird. Ich beschäftige mich mit dem Thema Nachhaltigkeit insgesamt bereits seit rund 25 Jahren. Um einen möglichst breit angelegten Standard zur Messung von Nachhaltigkeit zu erarbeiten, haben wir uns – unter anderem im Auftrag der Bun- desregierung – damit auseinandergesetzt, wie eigentlich ein solcher Standard für Nachhaltigkeitsindikatoren aussehen muss. Dementsprechend haben wir für insgesamt 68 verschiedene Branchen drei für die jeweilige Branche spezifische Indikatoren definiert, die eben nicht nur wesentlich für deren Geschäftstätigkeit sind, sondern mit denen speziell auch die finanzielle Per- formance dieser Unternehmen abgebildet werden kann. Denn auf Investorenseite geht es natürlich letzten Endes immer darum, welche Finanzperformance ein bestimmtes Investment zu erzielen in der Lage ist. Heuser: Wie muss man sich das genau vorstellen? Ist das eine Datenbank? Hesse: In dem erwähnten Standard sind jeder der genannten 68 Branchen jeweils drei spezifische Nachhaltigkeitsindikatoren zugeordnet, die wir Sustainable Develop- ment Key Performance Indicators nennen, abgekürzt SD-KPI. Auf Basis dieser Stan- dards ist inzwischen eine Datenbank ent- standen, die Daten zu rund 5.000 Unternehmen weltweit enthält, und denen jeweils die drei relevantesten Nachhaltigkeitsindikatoren für deren erwartete Geschäftsentwicklung zugeord- net sind. Und schließlich sind mithilfe dieser Datenbank eigene Indizes entstanden, denn machen wir uns nichts vor: Für die meisten institutionellen Investoren in der Welt spielen entsprechende Standardindizes in der einen oder anderen Form eine zentrale Rolle in der Er- arbeitung ihrer Asset Allocation und beim Management ihrer Portfolios. In unserem Fall haben wir die gängigen Stoxx-Indizes als Basis genommen und entsprechende Über- oder Untergewichtungen anhand unserer SD-KPI- Standards vorgenommen. Heuser: Mit welchem Ergebnis? Hesse: Mit dem Ergebnis, dass nach fünf Jahren, aber auch über längerfristige Zeiträume von bis zu neun Jahren durch die entsprechende Über- oder Untergewichtung unserer genannten Nach- haltigkeitsindikatoren eine höhere Rendite ge- genüber dem reinen Standardindex erzielbar war als ohne. Das ist insofern erfreulich, als wir nach meiner Ansicht nicht weiter mit diesem Ziel- konflikt arbeiten können in Bezug auf ein „Ent- weder ESG oder Rendite“. In der aktuellen Kapitalmarktlage kommt es wie gesagt auf jeden Basispunkt an. Es sollte deshalb so sein, dass man mit ESG mehr Rendite erzielen kann. Mayer: Vielleicht darf ich an dieser Stelle aber noch einmal einhaken, weil mich im Grunde schon die Verwendung der Abkürzung ESG als sozusagen feststehender Begriff aus einem bestimmten Grund stört. Denn die Gewichtung ist durch die Reihenfolge der drei Buchstaben schon falsch gesetzt. Die Reihenfolge müsste umgekehrt sein, also GSE, um die Prioritäten der einzelnen drei Kriterien Governance, Social und Environment richtig zu setzen. Die Analysten- vereinigung der German CFA Society hat eine Umfrage unter ihren Mitgliedern durchgeführt und gefragt, wie sehr sich Nachhaltigkeitsaspek- te auf den Aktienwert auswirken. Das Ergebnis ist, dass aus Sicht der Analystengruppe der Aspekt der Governance, also der Unternehmens- führung, weit vorn liegt. Mit 60 Prozent ist die Governance der mit Abstand wichtigste Aspekt in Bezug auf die Nachhaltigkeit von Unterneh- men in Europa. Das gilt im Übrigen auch für die Beurteilung von Risikofaktoren, wo die Unter- nehmensführung ebenfalls mit über 60 Prozent weit vorn liegt. Daher sind aus meiner Sicht die Prioritäten aktuell vollkommen falsch gesetzt, indem Regierungen sozusagen an der Schraube drehen und dem Klimaaspekt eine besondere Bedeutung zuweisen, die er eigentlich nicht hat. Governance ist der wichtigste Aspekt für die Bewertung und Entwicklung von Unternehmen. Und weil das im Grunde auch jeder professio- nelle Investor weiß, versucht man das Thema Klimaschutz jetzt sozusagen über die Hintertür schmackhaft zu machen, indem man durch bewusste, aber versteckte Investitionslenkung Gelder von Anlegern zu mobilisieren versucht, ohne dass die Investoren wirklich realisieren, dass sie das am Ende auf jeden Fall etwas kos- ten wird. Das ist meines Erachtens das größte Problem des gesamten EU-Plans. Was mich Dan Sauer (Nordea Investment Management): „Die Klimakomponente in ESG ist im Grunde die transparenteste, selbst wenn diese Transparenz diskutierbar bleibt.“ 280 www.fondsprofessionell.de | 3/2019 roundtable I nachhaltiges investieren I esg Fotos: © Jose Poblete » Es gibt eben durchaus Möglichkeiten für Unternehmen, intelligente Lösungen zu schaffen und effizientere Produkte zu entwickeln, die dazu beizutragen, weniger Energie oder weniger Material zu verbrauchen. « Dan Sauer, Nordea Investment Management

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