FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019
Foto: © Jacob Lund | stock.adobe.com D en Anstoß zum Nachdenken erhielt Susanne Wissmann im Frühjahr 2018 während eines Norwegen-Urlaubs. „Eine Mitreisende fragte mich irgendwann, ob ich eigentlich eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht hätte“, berichtet die 73-jährige Rentnerin. Doch Wissmann hatte diese Dokumente nie aufsetzen lassen, sich mit dem Thema bisher nicht eingehend be- schäftigt. „Dann aber habe ich daran gedacht, wie es vor vielen Jahren war, als meine tod- kranke Mutter imAlter von 92 Jahren an Ma- schinen angeschlossen werden sollte, was ihr Leiden nur verlängert hätte“, erzählt Wissmann. Sie wusste ganz genau, dass die Mutter dies nie gewollt hätte. Doch die alte Dame selbst konnte sich nicht mehr äußern, eine Patien- tenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht lagen der Tochter nicht vor. „Ich weiß noch, was für ein Kampf es war, bis ich die lebens- verlängernden Maßnahmen schließlich ver- hindern konnte“, sagt Wissmann. Sie selbst möchte, wenn es eines Tages so weit ist, in Frieden gehen. Auch die Entscheidung, im Krankenhaus etwa eine Beatmungsmaschine ein- oder gar abzustellen, will sie niemandem zumuten. „Ich habe daher inzwischen doch eine Patientenverfügung sowie eine Vorsorge- vollmacht“, sagt Wissmann. Darüber, dass sie geradezu mit der Nase auf dieses Thema ge- stoßen wurde, ist sie heute froh. Immer wieder auf Eis gelegt Wie Susanne Wissmann geht es den meis- ten Menschen. Niemand beschäftigt sich gern mit der Frage, was eigentlich geschehen soll, falls irgendwann ein Unfall oder eine schwere Erkrankung ein selbstbestimmtes Leben ver- hindert. So wird das Thema mit zunehmen- dem Alter vielleicht ab und zu kurz gestreift, dann aber wieder auf Eis gelegt. Fehlen im Ernstfall jedoch wichtige Verfügungen und Vollmachten, kann dies verheerende Folgen haben. Anlageberater und Versicherungs- makler sollten ihre Kunden daher auf die Vorsorge für den Notfall ansprechen. Zwar ist es ihnen untersagt, eine Rechts- beratung vorzunehmen, die erforderlichen Schriftstücke selbst aufsetzen und Dienstleis- tungen dieser Art etwa auch noch in Rech- nung zu stellen. Wer über ein gutes Juristen- netzwerk verfügt, kann seinen Kunden aber zu den wichtigen Dokumenten verhelfen. Werden auch Ehepartner, Kinder oder andere Familienangehörige in die Gespräche einbe- zogen, können Berater sich für die Zukunft vielleicht sogar neue Kunden sichern – und so über den „Umweg“ der Notfallvorsorge doch Umsätze erzielen. „Vollmachten und Verfügungen spielen in der Finanzberatung und -planung eine wich- tige Rolle“, sagt Ulrich Welzel, Inhaber der Unternehmensberatung Brain Active aus Taufkirchen bei München. Ebenso bei der Vermittlung von Versicherungen: Denn was nützt einem Kunden die beste Unfallpolice, wenn seine Familie im Fall der Fälle nicht über die ausgezahlte Versicherungssumme verfügen darf. „Berater kennen sich aber oft nicht so gut in diesen Themen aus, haben selbst nicht vorgesorgt und sprechen ihre Kunden auf diese sinnvollen Bausteine nicht an“, weiß Welzel. Damit sich das ändert, empfiehlt er Vermittlern und Finanzberatern dringend, sich mit diesen wichtigen Doku- menten auseinanderzusetzen. Der erste Baustein, der zu einer vernünfti- gen Vorsorge gehört, ist die Patientenverfü- gung. Damit kann jeder volljährige Bundes- bürger im Voraus festlegen, ob und wie er in bestimmten Situationen ärztlich behandelt werden möchte, falls er nicht entscheidungs- fähig ist. Gesetzlich definiert ist die Patienten- verfügung in Paragraf 1901a Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Hier ist geregelt, dass eine Patientenverfügung schrift- lich verfasst und eigenhändig unterzeichnet werden muss. Gut ist es auch, das Dokument von einem Notar beglaubigen zu lassen. Vorsicht, Rechtsberatung! „Vermittlern ist bei der Erstellung von Ge- neralvollmachten und Patientenverfügungen eine rechtliche Beratung nicht erlaubt“, sagt Jens Reichow, Rechtsanwalt bei Kanzlei Jöhnke & Reichow in Hamburg. Die Schwel- le zur Rechtsberatung sei aber schnell über- schritten, warnt er. „Das gilt vor allem, wenn etwa Erklärungen und Empfehlungen zur Ge- staltung im Einzelfall abgegeben werden“, sagt Reichow. Damit sollten sich Finanzbera- ter und Versicherungsvermittler zurückhalten. Wer selbst nicht mehr handlungsfähig ist, braucht Verfügungen und Vollmachten, um sich und seine Lieben abzusichern. Berater sollten mit ihren Kunden über dieses Thema sprechen. Für alle Fälle vorgesorgt Zuspruch am Krankenbett: Spätestens wenn eine Krankheit bereits aufgetreten ist, wird es Zeit, sich Gedanken um die eigene Absicherung und die der Angehörigen zu machen. Patientenverfügungen und Vollmachten gehören dazu. 316 www.fondsprofessionell.de | 3/2019 vertrieb & praxis I vorsorgevollmacht
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