FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019

Foto: © doomu | stock.adobe.com D ie letzte große Revolution im beschau- lichen Örtchen Sulzbach vollzog sich im Jahr 1964. Auf einem Acker im Süden der Siedlung eröffnete mit dem Main- Taunus-Zentrum die erste große Einkaufs- passage Deutschlands. 55 Jahre später ist der Flecken im Taunus erneut Hort einer kleinen Sensation: Zwei Banken aus dem öffentlich- rechtlichen und dem genossenschaftlichen Lager teilen sich fortan eine Filiale. Eigentlich konkurrieren die Gruppen. Vier Tage in der Woche sind die Räume besetzt. An zwei Tagen betreuen die Berater der Taunus Spar- kasse persönlich ihre Kunden, an den beiden anderen die Mitarbeiter der Volksbank Frank- furt. Daneben soll für die jeweiligen Kunden Geldabheben durchgängig im SB- Bereich möglich sein. Die Institute erhoffen sich Einsparungen – ohne den Kontakt zu den Kunden vor Ort gänzlich abzuschneiden. Dieses oder ähnliche Modelle könnten Schule machen. Denn Deutschlands Geldhäuser ächzen unter hohen Kosten und schwin- denden Einnahmen. Seit Jahren stutzen über alle Gruppen hinweg die Banken ihr Filialnetz zurecht. Die Zahl der Zweigstellen hat sich seit 1999 mehr als halbiert (siehe Grafik nächste Seite). Der Abbau hat zuletzt deutlich an Tempo ge- wonnen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Vielmehr kursieren Pläne, dass etwa die Deutsche Bank einen noch größeren Aderlass einleiten wird. Auch die Commerzbank, die sich bislang gegen Filialschließungen gewehrt und sogar über die Konkurrenz gespottet hat, erwägt offenbar tiefe Einschnitte. Doch spielen die Massenschließungen deut- scher Geldhäuser tatsächlich den gewünschten Effekt ein? Dieser Frage hat sich ein Analys- tenteam der UBS gewidmet und eine umfas- sende Studie vorgelegt. Eins vorweg: So „overbanked“ wie oft behauptet ist Deutsch- land im europäischen Vergleich gar nicht. Hierzulande kommen 36 Filialen auf 100.000 Einwohner – das liegt gar nicht so sehr über dem EU-Schnitt von 29 Zweigstellen (siehe Grafik nächste Seite). Die Ursachen für die Misere deutscher Ban- ken sehen die UBS-Analysten dann auch an anderen Stellen. Denn die hiesigen Institute weisen die geringsten Gebühreneinnahmen im Verhältnis zum Geschäftsvolumen auf. Sie sind vom Zinsertrag abhängig – der jedoch wegen der expansiven Geldpolitik schwindet. Zudem haben sie kaum weitere Einnahme- quellen aufgetan und ringen mit dem höchsten Aufwand-Ertrags-Verhältnis (Cost-Income Ra- tio) des Kontinents (siehe Grafik unten). „Deutschlands Banken kommen nicht darum herum, ihr Kostenproblem anzugehen“, folgert UBS-Analyst Daniele Brupbacher, Hauptautor der Studie. Ein großer Batzen entfällt auf die Personal- und Sachkosten – die wiederum zu einem guten Teil dem Unterhalt der Zweigstel- len entspringen. Kannibalismus auf der Spur Detailliert widmeten sich die UBS-Analys- ten daher der Frage, ob es im Filialnetz der deutschen Geldhäuser noch Einsparungspoten- zial gibt – und was ein Rückzug aus der Flä- che bringen würde. Dafür klopfte das Team die Attraktivität jedes einzelnen Standortes im Land anhand von vier Punkten ab: erstens die Kannibalisierung, also inwiefern sich die Ein- zugsgebiete der Zweigstellen einer Bank un- tereinander überlappen, zweitens die Intensität des Wettbewerbs, also wie viele Banken in einem Gebiet um Kunden fischen, drittens die Größe des potenziellen Marktes, gemessen an der Bevöl- kerungsdichte innerhalb einer fünf- oder 15-minütigen Autofahrt rund um eine Filiale, sowie viertens die Attraktivität dieses Marktes, ge- messen an der Kaufkraft. Die auf demografischen Daten fußende Analyse fördert auf- schlussreiche und mitunter überra- schende Ergebnisse zutage. Bei der Gesamtbetrachtung über alle Fak- toren hinweg schneiden die Zweig- stellennetze der Deutschen Bank und der Targobank am besten ab. Santander und Postbank rangieren Zerrissener Zaun: Deutschlands Kreditinstitute ziehen sich zunehmend aus der Fläche zurück. Doch eine Bilanz der Kostenersparnis fällt durchwachsen aus. Denn Probleme lauern noch an anderer Stelle. » Deutschlands Banken kommen nicht darum herum, ihr Kostenproblem anzugehen. « Daniele Brupbacher, UBS Ein Kosten- und ein Ertragsproblem Aufwand-Ertrags-Verhältnis europäischer Bankenmärkte Deutsche Banken weisen mit die höchste Cost-Income Ratio in Europa auf. Schuld sind nicht allein die Kosten, sondern auch die Erträge. Quelle: UBS, EZB, Nationalbanken 0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % Schweden Niederlande Spanien Großbritannien Italien Schweiz Frankreich Deutschland 72 % 72 % 71 % 65 % 64 % 57 % 57 % 50 % Aufwands- Ertrags- Verhältnis 5 Löcher im Netz Banken müssen sparen. Deshalb dünnen sie ihre Filialnetze aus. Eine Studie weckt Zweifel, ob das viel bringt. 362 www.fondsprofessionell.de | 3/2019 bank & fonds I filialsterben

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