FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2019
Foto: © Tom Bayer | stock.adobe.com W enn’s ums Geld geht, hört der Spaß bekanntlich auf. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Handels- vertretern gemäß Paragraf 84 Handelsgesetz- buch (HGB) und den Versicherern oder Ver- trieben, für die sie tätig sind. Besonders häufig streiten diese Parteien über die Rückzahlung von Provisionen, die der Versicherer oder Ver- trieb bei stornierten Policen fordert. Bei diesen Auseinandersetzungen dreht sich alles um die Frage, ob die Gesellschaften ge- nug für die sogenannte Stornoabwehr getan haben. Damit sind alle Maßnahmen gemeint, um den Kunden vom Rücktritt vom Rücktritt zu überzeugen. Weil die Kontrahenten meist unterschiedlicher Meinung sind, ob die einge- leiteten Schritte ausreichend waren, müssen oft Gerichte entscheiden. Die Richter vertreten dabei häufig unterschiedliche Ansichten – ins- besondere in den unteren Instanzen, wo die Verfahren zuerst verhandelt werden. FONDS professionell hat mit Anwälten gesprochen, die Vertretern helfen, ihr Geld einzutreiben. Konto für Stornofälle Wann streiten sich die beiden Parteien über- haupt? „Der klassische Fall ist, dass ein Han- delsvertreter seinen Vertrag kündigt und die Gesellschaft verlässt. In diesem Fall werden die Kunden oft allein gelassen, keiner küm- mert sich um sie – und oftmals stornieren die Nachfolger diese Verträge, um neue Policen abzuschließen“, berichtet Tim Banerjee von der Kanzlei Banerjee & Kollegen in Mön- chengladbach. Mitunter gibt es auch andere Konstellationen, aber die Folge ist immer die gleiche: Versicherer und Vertriebe wollen die Anteile an Provisionen, die in einem separaten Konto für Stornofälle zurückgestellt werden, ganz oder teilweise behalten. Wenn das Konto ins Minus gerutscht ist, stellen sie Nachforde- rungen. Der Vermittler wiederum möchte die- se Stornoreserve ausbezahlt bekommen oder keine Nachzahlungen leisten. Hier geht es nicht um Kleckerbeträge: „In einem mir be- kannten Fall betrug das Sollsaldo auf einem Rückstellungskonto 250.000 Euro“, sagt der Münsteraner Rechtsan- walt Kai Behrens. Streitgrundlage Die Wurzel des Problems ist, dass es eine „Schicksalsgemeinschaft“ zwischen Prämie und Provision gibt. Wenn ein Kunde eine Police storniert und keine Prämien mehr zahlt, entfallen die Entgelte. Wurden Courtagen als Vorschuss gezahlt, wie es bei Lebensversiche- rungen die Regel ist, müssen diese zumindest anteilig zurückgezahlt werden. „Das geht grundsätzlich aus Paragraf 92 Absatz 4 HGB hervor“, weiß Anwalt Behrens. In der Praxis werde zwar so gut wie nie auf diesen Para- grafen verwiesen, die detailliert im Handels- vertretervertrag beschriebenen Regeln seien aber Ausfluss dieses HGB-Passus. Der Kampf um das Stornokonto entbrennt aus den Vorgaben aus dem zweiten Satz in Paragraf 87a Absatz 3 HGB: „Der Handels- vertreter hat auch dann einen Anspruch auf Provision, wenn feststeht, dass der Unterneh- mer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen worden ist. Der Anspruch entfällt im Falle der Nichtaus- führung, wenn und soweit diese auf Umstän- den beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind“ , heißt es im Gesetz. Banerjee „übersetzt“ den Inhalt: „Die Frage ist, ob der Versicherer Schuld daran hat, dass eine Police gekündigt wurde.“ Es sei unstrittig, dass die Gesellschaften nach Ausscheiden des Han- delsvertreters verantwortlich für die „Rettung“ einer Police sind. „Wenn man nachweisen kann, dass das Unternehmen Storno nicht bekämpft, steht die Provision dem Vertreter zu“, betont Behrens. Eine wichtige Anmerkung: Auf Versiche- rungsmakler gemäß Paragraf 93 HGB treffen diese Punkte nur in Einzelfällen zu. „Makler stehen im Lager des Kunden, sie haben an- ders als die Handelsvertreter keine direkte Vertragsbeziehung mit einem Versicherer, der ihnen gegenüber zum Schutz des Vertrags ver- pflichtet ist“, so Banerjee. Ein Makler muss bei Stornierungen also selbst mit dem Kunden reden, wenngleich es nach der Rechtspre- chung des Bundesgerichtshofs (BGH) Aus- nahmen gibt und Makler wie Handelsvertreter auch „schutzbedürftig“ sein können. Verlässt ein Versicherungsvertreter seinen Auftraggeber, streiten die Parteien oft um die Stornoreserve. Wie dieser Kampf ausgeht, ist schwer vorherzusagen. Trennungs schmerz „Meine Kartoffel.“ – „Nein, meine!“ Oft entscheidet erst der Richter, wem welcher Teil der Provision zusteht. » Wenn man nachweisen kann, dass das Unternehmen Storno nicht bekämpft, steht die Provision dem Vertreter zu. « Kai Behrens, Rechtsanwalt 380 www.fondsprofessionell.de | 3/2019 steuer & recht I provisionen
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