FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019

Noch unverständlicher ist es allerdings, dass die Finanztransaktionsteuer so, wie sie jetzt geplant ist, an dem Ziel, dem sie ur- sprünglich dienen sollte, komplett vorbeigeht. Nach den Erfahrungen aus der Finanzkrise der Jahre 2008/2009 sollten mit dieser Abgabe Spekulationen mit Derivaten, Optionen und komplexen Finanzinstrumenten wie Credit Default Swaps (CDS) sowie der Hochfre- quenzhandel eingedämmt werden. Die „Scholz-Steuer“ aber soll stattdessen nur für normale Aktientransaktionen anfallen. „Das ist finanz- und ordnungspolitisch absurd“, urteilt Tüngler. Und Bert Flossbach, Mitgrün- der des Kölner Vermögensverwalters Floss- bach von Storch, erklärt in einem Schreiben an den Bundesfinanzminister, das FONDS professionell vorliegt: „Wer das schnelle Geld sucht, wird also verschont, der langfristig denkende Anleger dagegen bestraft.“ Das sei bittere Ironie, erklärt Flossbach. Kommt die Börsensteuer in ihrer aktuell geplanten Form, so träfe sie zudem bei Wei- tem nicht nur Anleger, die direkt in Aktien investieren. Auch jeder Inhaber eines Aktien- oder Mischfonds würde mit der Finanztrans- aktionssteuer belegt, sofern sich darin auch nur ein Unternehmen findet, dessen Markt- kapitalisierung bei mindestens einer Milliarde Euro liegt. Kauft oder verkauft er Anteile, fal- len je Transaktion 0,2 Prozent Steuer an. Stößt er den Fonds ab, erwartet ihn die Transak- tionssteuer wieder. Investiert er in ein anderes Portfolio: 0,2 Prozent, bitte! Auch bei Fondssparplänen Der Inhaber eines Sparplans, der monatlich 100 Euro in einen Aktienfonds einzahlt, in dem nicht nur Papiere kleiner und mittlerer Unternehmen liegen, zahlt für jeden Beitrag 20 Cent Steuern. Wechselt er den Fonds, ist auf einen aus der Rückgabe erzielten Gewinn Abgeltungsteuer fällig. Hinzu kommt die Steuer in Höhe von 0,2 Prozent auf das Trans- aktionsvolumen. Beim Kauf des neuen Port- folios zahlt auch der Sparplan-Sparer die Abgabe noch einmal. Bei Fondspolicen sind Fondswechsel bis- lang steuerfrei. Künftig wäre aber Transak- tionssteuer zu zahlen, wenn ein Aktien- oder Mischfonds gewechselt wird, und zwar für den Verkauf und den Kauf. Vielfach ist zu hö- ren, dass auf Anleger auch bei jeder Aktien- transaktion, die ein Fondsmanager vornimmt, die neue Steuer zukommen soll. Doch in die- sem Punkt sieht es derzeit nach Entwarnung aus. „Nach allem, was wir aus Berlin wissen, werden Transaktionen im Fondsvermögen nicht betroffen sein“, sagt Tüngler. Nicht zu vergessen ist ein weiterer Steuer- plan, den sich die Bundesregierung im Früh- jahr 2018 explizit in ihren Koalitionsvertrag geschrieben hat. Dort findet sich der Satz: „Die Abgeltungsteuer auf Zinserträge wird mit der Etablierung des automatischen Infor- mationsaustausches abgeschafft werden.“ Mittlerweile spricht der Bundesfinanzminister aber bereits davon, die Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge überhaupt zu kippen. Wie die beiden anderen Vorhaben ist auch dieser Plan keineswegs geeignet, die Bundesbürger dazu zu bewegen, für ihre Altersvorsorge stärker auf Aktienanlagen zu setzen. Bislang ist auch völlig unklar, wie Scholz ihn umsetzen will. „Dividenden sind auf Unternehmensebene bereits mit Steuern belegt worden“, gibt Tüngler zu bedenken. Es sei daher nicht vor- stellbar, dass Anleger sie mit ihrem vollen Einkommensteuersatz versteuern müssen. So- mit könnte Scholz zum sogenannten Halbein- künfteverfahren zurückkehren, das bis zur Einführung der Abgeltungsteuer Anfang 2009 galt. Oder er könnte es bei Dividenden bei der 25-Prozent-Steuer belassen. In beiden Fällen würden Dividenden anders besteuert als Kurs- gewinne und Zinserträge. Das wäre alles andere als eine Vereinfachung. Doch selbst wenn, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, nur die Abgeltungsteuer auf Zins- erträge fiele, wären viele Fragen offen. Denn: Paragraf 20 des Einkommensteuergesetzes definiert den Begriff „Einkünfte aus Kapital- vermögen“. Dort sind Zinserträge aber geson- dert von Einkünften aus Investmentfonds auf- geführt. Und im Koalitionsvertrag steht nichts darüber, dass die Abgeltungsteuer auch auf Fondserträge wegfallen soll. Sofern die 25- Prozent-Steuer für Einkünfte aus Rentenfonds aber bestehen bleibt, wären Direktinvestments in Anleihen künftig steuerlich gesehen deut- lich unattraktiver. Das passt nicht zusammen Würde die Abgeltungsteuer auch für Zins- erträge aus Fonds gekippt, wäre wiederum die Besteuerung von Mischfonds auf den Kopf gestellt. Das Investmentsteuergesetz, das im Januar 2018 in Kraft getreten ist, sieht vor, dass bei thesaurierenden und nur teilweise ausschüttenden Fonds während der Halte- dauer nicht mehr die tatsächlich erzielten lau- fenden Erträge besteuert werden. Stattdessen wird eine nach einer gesetzlich festgelegten Formel berechnete Pauschale erhoben. Bei Mischfonds würde die Besteuerung über die Vorabpauschale aber überhaupt nicht mehr funktionieren, wenn Dividendenerträge mit Abgeltungsteuer belegt würden, während Zinseinkünfte mit dem persönlichen Einkom- mensteuersatz zu versteuern wären. Kurz: Im November wurde ein schräger Steuerplan gekippt – aber nur einer. ANDREA MARTENS | FP Foto: © Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) Marc Tüngler, DSW: „Diese Finanztransaktionssteuer ist finanz- und ordnungspolitisch absurd.“ DSW-Petition: „Stoppt den Steuerirrsinn!“ Die Forderung: Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat die Bundesregierung und besonders Bundesfinanzminister Olaf Scholz in einer Petition dazu aufgefordert, seine Steuervorhaben dringend zu überdenken – und zu stoppen. Die Petition richtet sich gegen die geplante Finanztransaktionssteuer, die Beibe- haltung des Solidaritätszuschlags auf Kapitalerträge und weiterhin gegen das Verbot der Verrechnung von Total- verlusten aus Wertpapiergeschäften. Die Gründe: Die genannten Maßnahmen werden nach Auffassung der DSW die gewünschten Effekte nicht erreichen. Sie führten stattdessen zu höheren finanziellen Belastungen und seien auch rechtlich höchst umstritten. Die geplanten Gesetzesänderungen würden zudem jede Eigeninitiative für die private Altersvorsorge im Keim ersticken, so die Befürchtung. Unterschrift: Ziel der Petition ist es, im Gesetzgebungs- prozess mit einer möglichst großen Unterstützerzahl deut- lich zu machen, dass viele Anleger angesichts der neues- ten Steuerpläne zu Recht besorgt sind. Es gehe nicht al- lein darum, die Sicht des Verbandes deutlich zu machen. Die Petition ist im Internet unter dsw-info.de/steuerirrsinn zu finden. Anfang November hatten sich schon über 20.000 Bürger beteiligt. 402 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 steuer & recht I steuervorhaben

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