FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019

Foto: © BillionPhotos.com | stock.adobe.com, Kanzlei BMS; Christof Rieken S tudenten der Rechtswissenschaften ler- nen bereits im ersten Semester, dass Menschen im Alltag überall Verträge schließen, selbst beim Brötchenkauf in der Bäckerei – auch wenn die meisten das gar nicht merken. Geht ein Verbraucher zu einem freien Anlagevermittler oder einer Bank, um Anteile an offenen oder geschlossenen Fonds zu erwerben, schließen beide Seiten natürlich ebenfalls einen Vertrag ab. Wichtig ist, dass sich alle Beteiligten hier auf zivilrechtlicher Ebene bewegen. Damit ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) mit sei- nen Ausführungen zum Vertragsrecht die Grundlage für alle Einschätzungen zum The- ma Anlageberatung, -vermittlung und mögli- cher Haftung. Das Problem ist nun, dass man im BGB nichts Konkretes zur Anlagebera- tung finden wird, wie Anwalt Philipp Mertens von der Düsseldorfer Kanzlei BMS Rechts- anwälte erläutert. „Dennoch hat der Bundes- gerichtshof zur Anlageberatung sicher 1.000 Urteile gefällt.“ Der Grund ist einfach, meint Mertens’ Kollege Udo Brinkmöller, ebenfalls Partner der Kanzlei BMS: „Die Urteile sind Konkretisierungen der im BGB nur skizzier- ten Grundlagen des Anlageberatungsvertrags“. Diese sehr allgemeinen Ausführungen haben die Gerichte im Lauf der Jahre immerzu er- weitert und differenziert – man spricht hier vom sogenannten „Case Law“. Top Ten der wichtigsten Urteile Diese Erklärungen und Erläuterungen der Gerichte, speziell des Bundesgerichtshofs (BGH), sind für Vermittler sehr wichtig. Schließlich bedeutet ein Verstoß gegen die an- legergerechte Beratung – die Erkundung der Wünsche, Erfahrungen, Risikotoleranz und Ziele der Kunden – eine Haftung, wenn es zu einem Schaden für den Anleger kommt und er sein Geld verliert. FONDS professionell hat sich daher bei Experten für das Kapitalmarkt- und Vermitt- lerrecht (siehe Kasten unten) nach den ihrer Meinung nach wichtigsten Gerichtsentschei- dungen erkundigt. Diese nannten mehr als 20 Urteile. Die Redaktion hat aus den Urteilen diejenigen ausgewählt, die von mindestens zwei Juristen genannt wurden. Das Ergebnis sind gewissermaßen die „Top Ten“ der wich- tigsten BGH-Urteile für Fondsberater – hier in chronologischer Reihenfolge. Vermittler müssen Prospekte auf Plausibilität prüfen BGH, 27. 9. 1988, Az. XI ZR 4/88 § Dieser Spruch des obersten deutschen Gerichts ist der älteste in der Aufzäh- lung. Anlass war, dass ein Anlagever- mittler einem Kunden zur Beteiligung an einem sogenannten „Bauherrnmodell“ verhol- fen hatte. Im Zuge des Verfahrens stellte der BGH fest, dass der Vermittler den Prospekt der Kapitalanlage auf seine Plausibilität hin zu prüfen hat. Insbesondere muss er prüfen, ob die Angaben stimmig, nachvollziehbar oder widersprüchlich sind. Zu klären ist, ob der Prospekt „ein in sich schlüssiges Gesamt- bild über das Beteiligungsobjekt gibt“ und ob die darin enthaltenen Informationen sachlich vollständig und richtig sind. Dieser Grundsatz wird Anwalt Martin Duncker zufolge aller- dings von Anlegerschutzanwälten mitunter über Gebühr beansprucht. Er weist daraufhin, dass der BGH entscheidende Einschränkun- gen macht: „Der Vermittler muss den Pro- spekt nicht bis ins Kleinste sezieren und juris- tisch durchprüfen. Die Prüfung darf dem Ver- mittler keinen unzumutbaren Aufwand abver- langen, das zeigt auch der BGH-Beschluss vom 11. Oktober 2016 (Az. XI ZR 14/16)“, so Duncker. Zudem hätte die Prüfung auch Anlass zu Beanstandungen geben müssen. „Der Vorwurf, die Prospekte nicht auf Plau- Beratungsfehler oder nicht? Streitigkeiten zwischen Anlegern und Finanzberatern landen oft vor Gericht. Die Redaktion stellt zehn wichtige Urteile vor. Im Namen des Volkes Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsprechung für die Anlageberatung maßgeblich geprägt. FONDS professionell bat spezialisierte Anwälte, der Redaktion die ihrer Meinung nach wichtigsten Urteile der vergangenen Jahre zu nennen. Die Anwälte Diese Juristen haben sich zu den im Artikel genannten Urteilen geäußert: • Daniel Berger, Kanzlei Wirth Rechtsanwälte in Berlin, Tel.: 030/319 805 44-0, E-Mail: info@wirth-rae.de • Udo Brinkmöller und Philipp Mertens, Kanzlei BMS Rechtsanwälte in Düsseldorf, Tel.: 0211/580 98 80, E-Mail: Info@bms-kanzlei.de • Martin Duncker, Kanzlei Schlatter Rechtsanwälte Steuerberater in Heidelberg, Tel.: 06221/98 12 60, E-Mail: duncker@schlatter.law • Oliver Renner, Kanzlei Rechtsanwälte Wüterich Breucker in Stuttgart, Tel.: 0711/23 99 20, E-Mail: O.Renner@Wueterich-breucker.de 404 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 steuer & recht I ur teile

RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=