FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2019
BGH entschied klar zu Ungunsten der Kläger: „Den Anleger trifft für seine Behauptung, den Prospekt nicht beziehungsweise nicht recht- zeitig erhalten zu haben, die Beweislast“, kommentiert Rechtsanwalt Daniel Berger. Berater darf Risiken einer Anlage nicht verharmlosen BGH, 12. 7. 2007, Az. III ZR 83/06 § Berater dürfen Kunden eine Anlage hin- sichtlich des Risikos nicht so beschrei- ben, dass sie dieses falsch einschätzen. Genau das hatte ein Berater in einem Fall getan, auf den Anwalt Brinkmöller hinweist: Der freie Handelsvertreter hatte die Zweifel einer Kundin an einem geschlossenen Immo- bilienfonds unter anderem damit zerstreut, dass es sich „bei diesem geschlossenen Im- mobilienfonds um eine der sichersten Kapi- talanlagen“ handle. Zudem könne sie den Fondsanteil nach einem Jahr ohne jeglichen Verlust, voraussichtlich sogar mit Gewinn, wieder veräußern. In der Vorinstanz hatte der Berater noch gewonnen, da er der Anlegerin den Prospekt rechtzeitig ausgehändigt hatte. Dieser wiederum enthielt alle Hinweise auf die Risiken der Immobilienbeteiligung. Der BGH sah das aber anders. „Der Umstand, dass ein Beteiligungsprospekt Chancen und Risiken der Kapitalanlage hinreichend ver- deutlicht, ist kein Freibrief für den Vermittler, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidungsbildung des Anlegers mindert“, stellte der dritte Zivilsenat klar. Optimistische Prognose ist nicht automatisch eine Fehlberatung BGH, 27. 10. 2009, Az. XI ZR 337/08 § Diesem Urteil des BGH liegt ebenfalls die Investition in einen geschlossenen Immobilienfonds zugrunde. Nachdem die Fondsgesellschaft in eine finanzielle Schieflage geraten war, hatte der Anleger eine mangelhafte Risikoaufklärung durch seine Bank und einen fehlerhaften Prospekt geltend gemacht. Unter anderem habe sie eine zu opti- mistische Prognose zur Wertentwicklung der Anlage abgegeben. Der BGH wies die Klage ab. Laut Anwalt Berger begründete der für Bank- und Kapitalmarktrecht zuständige Senat seine Entscheidung damit, dass Prognosen im Prospekt der Anlage einer Plausibilitätsprü- fung zu unterziehen sind. „Sie dürfen jedoch optimistisch ausfallen, ein Sicherheitsabschlag muss nicht erfolgen“, zitiert der Jurist den Ur- teilstenor. Zudem müsse ein Berater bei einem solchen Immobilienfonds nicht zwingend über ein Totalverlustrisiko aufklären, selbst wenn er mit einem Darlehen finanziert wurde. Schließlich stehe hier anders als bei einem Medienfonds mit der Immobilie ein Sachwert zur Verfügung. „Das Risiko, dass der Sach- wert durch die Fremdfinanzierung aufgezehrt wird, ist allgemeiner Art, bei den Anlegern als bekannt vorauszusetzen und daher nicht auf- klärungsbedürftig“, so der BGH weiter. Berater müssen über Innenprovisionen aufklären BGH, 3. 6. 2014, Az. XI ZR 147/12 § In diesem sehr wichtigen Urteil hat der BGH klargestellt, dass Berater über ver- steckte Innenprovisionen aufklären müs- sen. Der Entscheid des Gerichts, der sich aus einem Streit über eine Beteiligung an einem Immobilienprojekt ergab, bezog sich auf eine Bank. „Die vom BGH für maßgeblich erach- teten Gründe lassen sich jedoch ohne Weiteres auf freie Finanzdienstleister übertragen“, so Bergers Meinung. „Diese Rechtsprechungs- entwicklung wird vermutlich weitergehen und auch auf den freien Vertrieb übertragen“, meint auch Duncker. Dieser weist noch auf einen anderen wichtigen Aspekt dieses Urteils hin: „Bis zum Juni 2014 galt der eiserne Rechtsgrundsatz: Zivilrecht und Aufsichts- recht sind zwei Paar Schuhe. Aus Verstößen gegen das Aufsichtsrecht lassen sich grund- Foto: © Konrad Goes; Kanzlei Wüterich Breucker Oliver Renner, Kanzlei Wüterich Breucker, zum Bond- Urteil: „Geburtsstunde der anlegergerechten Beratung.“ Martin Duncker, Schlatter Rechtsanwälte: „Der Vermittler muss den Prospekt nicht bis ins Kleinste sezieren.“ Müssen Anleger den Verkaufsprospekt lesen? Ein anderes Urteil, das nicht vom BGH kommt, das Be- rater aber dennoch kennen sollten, ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 31. August 2016 (Az. 11 U 3/16). Der Fall: Ein Ehepaar hatte über eine freie Anlage- beraterin in einen Schiffsfonds investiert. Später verklagte es die Vermittlerin wegen Fehlberatung. Das Urteil des OLG Celle kann man salopp wie folgt zusammenfassen: „Wer lesen kann, gewinnt.“ Denn das Ehepaar hatte den Verkaufsprospekt vor Zeichnung erhalten, aber nicht genau studiert. Unter anderem haben die Anleger klare und unmissver- ständliche Risikohinweise nicht beachtet. Daher tragen beide eine erhebliche Eigenverantwortung, sodass das Gericht ihre Klage abwies. Diese Rückbesinnung auf die Vertragsfreiheit und den Wert der eigenen Unterschrift sei fast überfällig gewesen, so Anwalt Martin Duncker. Die Kernaussage des Urteils: „Die Rechtsordnung geht nach wie vor vom Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit, zivilrechtlich ausgeprägt durch den Grundsatz der Vertragsfreiheit, aus. Die Kehr- seite dieser Freiheit besteht darin, dass jedes Rechtssubjekt grundsätzlich selbst für den Inhalt der vertraglichen Beziehungen verantwortlich ist, die es eingeht. Daraus folgt die Obliegenheit jeder Vertragspartei, rechtlich offensichtlich bedeutsame Dokumente zu lesen und zu verstehen, bevor sie diese Dokumente durch ihre Unterschrift billigt. Miss- achtet eine Vertragspartei diese in eigenen Angelegen- heiten bestehende Obliegenheit, kann sie sich später nicht mit Erfolg auf Unkenntnis oder Verständnisprobleme berufen“, heißt es in der Urteilsbegründung des OLG. 406 www.fondsprofessionell.de | 4/2019 steuer & recht I ur teile
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