FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

Ratings und materielle Vorteile zu erlangen“, schreiben die Morningstar-Analysten in ihrer Replik. „Doch die Realität ist viel profaner.“ Es sei schlichtweg eine enorme Herausforde- rung, Millionen von Anleihen den korrekten Bonitätsnoten zuzuordnen. Die Fondsanalysten untermauern ihre Argu- mentation mit einem Exempel von 480 Ren- tenfonds, bei dem sie die Kreditqualität an- hand der von den drei Akademikern verwen- deten Methoden nachrechneten. Demnach hätten 116 Fonds als falsch klassifiziert gegol- ten. Doch bis auf sieben wiesen all diese Bondportfolios einen hohen Anteil an Anlei- hen ohne Bonitätsnote auf. Das Ausmaß der Differenz zwischen den gemeldeten und den „tatsächlichen“ Portfolios lasse sich also fast vollständig durch den Anteil der nicht bewer- ten Anleihen erklären, so Morningstar. Keine Wirkung auf Ratings Das zweite Argument der Fondsanalys- ten: Die Autoren hätten falsch interpre- tiert, wie das Morningstar-Sterne-Rating funktioniert. In ihrem Artikel würden die Akademiker auf die sogenannte Mor- ningstar-Style-Box abstellen. Diese ordnet Bondfonds in eine Matrix aus Risiko und Zinssensitivität ein. Diese Darstellung die- ne jedoch lediglich der Information der Anleger. Die Sterne-Ratings hingegen fu- ßen auf den Morningstar-Kategorien wie „Unternehmens-“, „Hochzins“- oder „Schwel- lenländeranleihen“. Diese Einteilung sei für die Rendite-Risiko-Bewertung maßgeblich. Ungeachtet der angeführten Argumente rechneten die Morningstar-Analysten zudem anhand ihres eigenen Ratingmodells die Da- ten der drei Studienautoren nach. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Fehlklassifizierun- gen, sofern es sie denn überhaupt gegeben habe, nahezu keineAuswirkungen auf die Ster- ne-Vergabe gehabt hätten. Die laut den drei Forschern falsch einsortierten Portfolios hätten statistisch gesehen praktisch keine höhere Wahrscheinlichkeit, ein besseres Sterne-Ra- ting zu erlangen, so die Morningstar-Experten. Auf diese Replik antworteten die Studien- autoren wiederum mit einem Nachtrag zu ihrem Artikel. Dabei gehen sie zunächst auf das Argument ein, dass überwiegend Anleihen ohne Rating zu den Ergebnissen ihrer Studie geführt hätten. Das weisen Cohen, Gurun und Chen zurück. Sie untermauern ihre Sichtweise mit einer Neuberechnung ihrer Untersuchung – diesmal unter Ausschluss aller Bonds ohne Bonitätsnote. Es komme dasselbe Ergebnis heraus. „Wir finden immer noch eine signifi- kante Zahl von falsch klassifizierten Fonds. Diese sind deutlich riskanter, haben höhere Renditen, erhalten mehr Sterne und höhere Mittelzuflüsse“, schreiben die drei Finanz- wissenschaftler. Beharrliche Ergebnisse Die beiden anderen Morningstar-Gegen- argumente lassen die Wissenschaftler mit Ver- weis auf die Datenlage ebenfalls nicht gelten. Auch wenn sie die Fonds anhand der Mor- ningstar-Kategorien und nicht anhand der Risikoeinteilung der Style-Box vergleichen, bleibe das Ergebnis bestehen: Falsch klassifi- zierte Fonds erhalten mehr Sterne. „Und um es klar zu sagen: Wir haben absicht- lich in unserer Arbeit Fonds untereinander nach ihrem Risikograd verglichen“, merkt das Trio an. Denn die Risiken der Portfo- liobestandteile erschienen ihnen als das richtige Maß, um Fonds fair auf ihr Ren- dite-Risiko-Verhältnis hin zu vergleichen. Dies ist einstweilen der letzte Stand der Diskussion. Beide Seiten betonen, dass sie in einem konstruktiven Austausch mitein- ander stehen. Morningstar meint zudem: „Wir begrüßen jede Debatte, welche die Informationslage für Investoren verbessert, gerade in so komplizierten Feldern wie An- leihen.“ Cohen, Gurun und Chen wiederum stellen klar: „Unser Ziel für dieses Projekt war von Beginn an: die immer komplexeren Entscheidungswege der Investoren und die daraus resultierende wachsende Rolle von Informationsintermediären auszuloten, die die- se spielen.“ SEBASTIAN ERTINGER | FP Foto: © University of Texas | Dallas » Die Autoren schreiben die Diskre- panzen dem Verlangen der Fonds- gesellschaften zu, die Kreditqualität zu beschönigen, um bessere Ratings und materielle Vorteile zu erlangen. Doch die Realität ist viel profaner. « Replik von Morningstar So bewertet Morningstar Fonds Sterne-Rating: Von ★ bis ★★★★★ Die Sterne-Bewertung fußt allein auf einer quantitativen Analyse. Dieses Rating vergleicht die Portfolios einer Kategorie im Hinblick auf Rendite und Risiken. Anleger sollen so einen raschen Überblick erhalten, wie ein Fonds in der Vergangenheit im Vergleich zur Konkurrenz abge- schnitten hat. Das Haus berechnet die Sterne über Zeit- räume von drei, fünf und zehn Jahren. Zudem wird noch ein Gesamtrating aus diesen Zeiträumen erstellt, wobei der Erfolg über zehn Jahre das höchste Gewicht ein- nimmt. Für die Vergabe der Sterne zählt das Abschneiden innerhalb der Gesamtgruppe. Die besten zehn Prozent der Fonds erhalten fünf Sterne, die folgenden 22,5 Prozent vier, die mittleren 35 Prozent drei, die nachfolgenden 22,5 Prozent zwei und die schwächsten zehn Prozent einen Stern. Entscheidend für eine faire Bewertung der Fonds ist eine möglichst korrekte Einordnung der Fonds nach Rendite-Risiko-Parametern. Dies ist der Punkt, an dem die Kritik der drei amerikanischen Professoren ansetzt. Analysten-Rating: Von „Negativ“ bis „Gold“ Während die Sterne-Ratings allein die frühere Leistung eines Fonds betrachten, versuchen die Analysten des Hauses bei dem qualitativen Rating das mögliche künftige Abschneiden eines Portfolios zu beurteilen. Sie klopfen unter anderem ab, welche Erfahrung der Manager und sein Team mitbringen, wie stringent er die Strategie über verschiedene Marktphasen hinweg einhält, welche Res- sourcen die Asset-Management-Gesellschaft bereithält und wie stabil das Haus ist. Die Spanne der Noten reicht von „Negativ“ und „Neutral“ über „Bronze“ sowie „Silber“ bis hin zu „Gold“. Ende vergangenen Jahres verschärfte das Haus die Bewertungskriterien. Nunmehr muss ein Fonds für eine der drei Topmedaillen sowohl seinen Ver- gleichsindex als auch das Feld seiner Konkurrenten über- treffen – und dabei die Risiken im Rahmen halten. Bislang genügte eines der beiden Kriterien. Zudem spielen die Kosten eine größere Rolle. So kann etwa das Rating für teurere Anteilsklassen durchaus schlechter ausfallen. Umit Gurun, Universität Texas: „Es gibt immer noch eine signifikante Zahl von falsch klassifizierten Fonds.“ 142 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 markt & strategie I fondsratings

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