FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

schafts- sowie eine kluge Fiskalpolitik. Darauf kann die Geldpolitik aufzubauen. Wenn diese allein alle Probleme lösen soll, ist das eine gigantische Aufgabe. Ich kritisiere die Zen- tralbanken nicht für ihren Kurs. Sie haben es exzellent geschafft, die Welt durch die Finanz- krise zu führen. Sie können jedoch nicht alles zugleich leisten: die Inflation niedrig halten, das Wirtschaftswachstum ankurbeln, Gehalts- unterschiede ausgleichen und noch die Fi- nanzmärkte unterstützen. Dies alles traut die „Modern Monetary Theory“, die moderne Geldmarkttheo- rie, den Währungshütern durchaus zu. Ich verrate Ihnen etwas: Sowohl ich als auch mein gesamtes Team mussten diesen Begriff erstmal im Online-Lexikon Wikipedia nach- schauen. Und wir sind allesamt Ökonomen oder Analysten, viele von uns haben promo- viert. Diese Theorie war nie Teil des Lehr- plans bedeutender Universitäten. Es gibt keine solide theoretische Basis oder empirische Prüfung. Letztendlich handelt es sich eher um eine politische Idee. Stößt das Gelddrucken also an seine Grenzen? Die Grenze der neuen geldpolitischen Theorie wäre Inflation. Geld drucken funktioniert, so- lange keine Inflation aufflammt. Aber in der Vergangenheit zog eine laufende Notenpresse früher oder später immer eine Geldentwertung nach sich. Zusammen mit der weiterhin stei- genden Staatsverschuldung in den Industrie- ländern halte ich dies für eine gefährliche Ge- mengelage. Und in den USA halte ich zudem eine Inflation für ein unterschätztes Risiko. Die Arbeitslosigkeit ist auf einem historisch niedrigen Stand. Wegen der restriktiven Ein- wanderungspolitik fehlen zunehmend Arbeits- kräfte. Das hat einen Lohnanstieg zur Folge, was wiederum die Teuerungsrate steigert. Droht auch in Europa eine Zunahme der Teuerungsraten? Nein, hier vermag ich noch keine Anzeichen für inflationäre Tendenzen erkennen. Überwiegen nun die negativen Folgen der ultralaxen Geldpolitik? Die große Zufuhr an Liquidität, gepaart mit der strikteren Regulierung von Banken, hat unerwünschte Nebeneffekte zur Folge. Einer davon ist der Aufstieg der Schattenbanken. Die Regulierer wollten die Risiken im Ban- kensystem reduzieren. Daraufhin verlagert sich die Kreditvergabe weg von Banken hin zu anderen Akteuren. Beim Blick auf die Zah- lungsstatistiken wächst die Rubrik „Sonstige“ immer weiter. Die Risiken sind aber noch da, sie wandern eben nur aus dem offiziellen, regulierten Bereich in den Schattensektor. Wer verbirgt sich hinter den Schatten- banken? Keiner weiß so ganz genau, wer diese Akteu- re wirklich sind. Aber Investoren weltweit nehmen angesichts von Geldflut und Niedrig- zinsen immer mehr Risiken in Kauf. Sie stei- gen auf der Bonitätsleiter weiter herunter, von soliden Unternehmensanleihen zu Hochzins- bonds und noch weiter zu Leveraged Loans oder Private Debt. Das Volumen ausstehender Leveraged Loans hat sich über die vergange- nen zehn Jahre von gerade einmal 100 Milli- arden auf mehr als 1,2 Billionen US-Dollar vervielfacht. Und gut 80 Prozent dieser Dar- lehen weisen nur geringe Schutzklauseln auf. Unbestritten ist, dass solche Wertpapiere nicht in allen Marktlagen handelbar sein werden. Bereitet Ihnen das Sorgen? Die Märkte bepreisen Hochzinsanleihen, als ob ihnen kein Risiko innewohnen würde. Aber Ramschbonds tragen ihren Namen aus gutem Grund. Ich beobachte unter Investoren die Tendenz, für Rendite auf Liquidität zu verzichten. Zudem stelle ich mir die Frage, was passiert, wenn viele Anleger von Anlei- hen-ETFs ihre Anteile zurückgeben. Ich fürchte, das könnte zu Verwerfungen führen, wenn alle durch die gleiche Tür hinauswollen. Michael Hasenstab: „In der Vergangenheit zog eine laufende Notenpresse immer eine Geldentwertung nach sich. Mit der steigenden Staatsverschuldung in den Industrieländern halte ich dies für eine gefährliche Gemengelage.“ » Die Märkte bepreisen Hochzinsanleihen, als ob ihnen kein Risiko innewohnen würde. Aber Ramschbonds tragen ihren Namen aus gutem Grund. « Michael Hasenstab, Franklin Templeton Foto: © Daniel Weisser Michael Hasenstab Nach dem Studium der Volkswirtschaft und der Politologie im US-Bundesstaat Minnesota sowie im australischen Canberra begann Hasenstab im Jahr 1995 seine Karriere bei Franklin Templeton. Nach einer Auszeit, in der er seine Promotion schrieb, kehrte er 2001 zu dem kalifornischen Fondsanbieter zurück und steuert seither Anleihenstrategien. Der Sohn eines gebürtigen Niederländers und einer Australierin bestieg 2013 den Mount Everest. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Kalifornien. markt & strategie I michael hasenstab | franklin templeton 184 www.fondsprofessionell.de | 1/2020

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