FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

etwa Handelsunterbrechungen eingeführt, wie sie in Europa bereits die Regel waren. Bei den beiden folgenden Blitz-Verwerfungen kam es dann auch bei ETFs zu Handelsunterbrechun- gen, „welche marktstabilisierend wirkten“, be- obachten die Bundesbank-Analysten. „Diese verschaffen etwas Zeit, um Preisverzerrungen zu korrigieren“, erläutert Finanzprofessor Johanning. So blieb etwa der dritte Flash- Crash in seinen Ausmaßen recht begrenzt. Illusorische Liquidität Ein weiterer Vorwurf lautet, ETFs würden eine „Liquiditätsillusion“ verkaufen. In exoti- scheren Anlagefeldern wie einzelnen Schwel- lenländern oder Hochzinsanleihen weisen die Vehikel mitunter einen regeren Handel auf als die zugrunde liegenden Wertpapiere. So ermöglichen ETFs zwar den Zugang zu Nischen, allerdings verknüpft mit einer gro- ßen Gefahr: Die Anleger kommen rasch hinein, in Stressphasen aber nicht mehr hinaus. „Grundsätzlich sollte genau beob- achtet werden, über wie viel Liquidität Basiswerte verfügen und ob dies als Basis für die Auflage eines ETFs ausreicht“, sagt Kapitalmarktwissenschaftler Johan- ning. Und er richtet einen Appell an die Branche: „Anbieter sollten hier ihrer Verantwortung gerecht werden.“ Diese beteuern, ihren Auftrag ernst zu nehmen. „Eine wichtige Frage vor der Auf- lage eines ETFs ist, wie die Liquidität des zugrunde liegenden Marktes aussieht“, berich- tet Fannie Wurtz, die beim französischen Asset-Management-Giganten Amundi das weltweite ETF-Geschäft verantwortet. Denn der ETF sei an die Liquidität des zugrunde liegenden Index gebunden. „Bei uns ist eine sorgfältige Auswahl eines Index Teil der Due-Diligence-Prüfung vor der Auflage eines ETF“, betont Wurtz und ergänzt: „Der wich- tigste Punkt für Investoren wie auch für die Produktanbieter ist: Verstehe den Index, den der ETF abbildet.“ Hier kommt es auf die jeweiligen Erforder- nisse des Investors an. Das Sortiment der ETF-Anbieter bildet mittlerweile viele Berei- che der Finanzwelt ab. Nicht alles davon ist für die Zwecke jedes Investors geeignet. „An- leihen-ETFs bergen zwei Probleme: Erstens hole ich mir damit eine konstante Duration ins Portfolio und zweitens ein nicht greifbares Liquiditätsrisiko“, meint etwa Christian Funke, Vorstand beim Vermögensverwalter Source For Alpha. „Angesichts dieser Fakto- ren lege ich im Zweifel lieber meinen eigenen Anleihenfonds auf, den ich nach meinen Vor- stellungen maßschneidern kann.“ Funke hat zudem einen weiteren Irrglauben ausgemacht: dass die Indexfolger ideal für schnelle Speku- lationen sind. „Als kurzfristiges Instrument sind sie gar nicht so günstig. Aktives Trading von ETFs verursacht Kosten“, erläutert der Portfoliomanager. Denn bei diesen Vehikeln tragen die ein- und aussteigenden Anleger die von ihnen verursachten Handelskosten. Für langfristig ausgerichtete ETF-Investoren sei dies wiederum von Vorteil, so Funke. Fehlpreise beseitigt Ein weiteres Argument lautet, dass mit dem zunehmenden Anteil an Investoren, die sich lediglich an einem Index orientieren, die Preisfindung der Märkte gestört werde. Je weniger Akteure sich selbst eine Meinung zu dem Wert einer Aktie oder Anleihe bildeten, desto ineffizienter funktionierten die Kapital- märkte. „Der Anteil passiver Investments müsste noch erheblich steigen, bis Auswirkun- gen auf die Preisfindung feststellbar wären“, hält Johanning dagegen. Trotz des rasanten Wachstums ist der Anteil von ETFs nach wie vor relativ gering (siehe Grafiken vorige Sei- te). „Letztendlich braucht es gar nicht so viele aktive, informierte Anleger, damit ein Markt effizient ist“, erläutert der Finanzprofessor. Fehlpreise rufen Akteure auf den Plan, die diese ausnutzen und somit beseitigen. „Die Indexumstellungen beispielsweise sind ein ‚Free Lunch‘ für aktive Akteure.“ Schlussendlich wohnen ETFs zweifel- los Gefahren inne. Der Großteil geht je- doch mit den zugrunde liegenden Anlagen einher, die der jeweilige Indexfolger abbildet. „Die Risiken von ETFs entsprechen denen klassischer Fonds“, resümiert Amundi-Mana- gerin Wurtz. „ETFs sind ein Mantel für die Umsetzung von Investmentstrategien – eben- so wie herkömmliche Publikumsfonds.“ SEBASTIAN ERTINGER | FP Foto: © Kai Myller Lutz Johanning, WHU: „Auch aktive Manager verkaufen bei hohen Anteilsrückgaben in einer starken Korrektur.“ Handel auf hohem Niveau Monatliches ETF-Handelsvolumen an der Börse Frankfurt Das ETF-Handelsvolumen am wichtigen Börsenplatz Frankfurt ist hoch. Ein erheblicher Teil des Sekundärmarktes wird in Europa allerdings abseits des Parketts abgedeckt. Quelle: Börse Frankfurt Jan. 2015 18,6 Mrd. Euro 0 5 10 15 20 2019 I 2018 I 2017 I 2016 I 2015 I Dez. 2019 9,9 Mrd. Euro Mrd. Euro Monatliches ETF-Handelsvolumen an der Börse Frankfurt » Grundsätzlich sollte genau beobachtet werden, über wie viel Liquidität Basis- werte verfügen und ob dies als Basis für die Auflage eines ETFs ausreicht. « Lutz Johanning, WHU – Otto Beisheim School of Management 192 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 markt & strategie I etfs

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