FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

schon immer ein entscheidender Faktor unse- res Investmentansatzes war: Wir reisen viel und setzen uns intensiv mit den Firmen vor Ort auseinander. Es vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht ein Unternehmen besuchen, einen Vorstand in unserem Büro in London sprechen oder zumindest per Telefon mit dem Topmanagement konferieren. Wie groß ist Ihr Team, das sich um Un- ternehmen aus den Frontier und Emer- ging Markets kümmert? Wir sind zu acht. Die meisten sind viel auf Achse. Es gibt aber auch einen Kollegen, der ständig im Büro ist. Er behält von London aus die Börsen und Unternehmen aus unserem Anlageuniversum im Blick. Wenn ich unter- wegs bin, telefoniere ich fast stündlich mit ihm, damit er mich auf dem Laufenden hält. Seit gut drei Jahren gehört Ihr ehema- liges Unternehmen Charlemagne zum kanadischen Asset Manager Fiera Capi- tal. Hat sich durch die Übernahme etwas an Ihrer täglichen Arbeit geändert? Nein, eigentlich nicht. Fiera verfolgt einen Multi-Boutique-Ansatz, der den einzelnen Fondsmanagern große Freiheiten gibt. Ein- heitsbrei werden Sie bei uns nicht finden. Auch im Team gab es keine relevanten Wech- sel: In London arbeitet quasi das gleiche Charlemagne-Team wie früher. Vereinfacht es auch den Zugang zu Unternehmen, wenn man einen großen Asset Manager im Rücken hat? Oder standen die Türen ohnehin schon offen? Den Zugang hatten wir bereits. Bezogen auf die Nische, in der wir unterwegs sind, waren unser Team und das verwaltete Vermögen schon früher recht groß. Hinzu kommt, dass wir viel Erfahrung haben. So investiert etwa auch mein Co-Manager Dominic Bokor- Ingram schon seit Anfang der 1990er-Jahre in den Schwellenländern. Wenn Sie mit dem Vorstandschef eines Unternehmens sprechen, fühlt der sich zudem wohler, wenn ihm kein junger Hochschulabsolvent gegenübersitzt, sondern ein Mann gleichen Alters. Das ist für unsere Fonds durchaus relevant, weil ein großer Teil unseres Investmentprozesses auf der Kommunikation mit den Firmen basiert. Ihr Flaggschiff, der gut 500 Millionen Euro schwere Magna New Frontiers Fund, steckt seit September 2017 im Soft Closing. Seither akzeptieren Sie nur klei- nere Einzahlungen, etwa über Sparpläne – bei größeren Tickets fällt ein Zwangs- aufgeld an. Wäre es nicht sinnvoller ge- wesen, das Anlagespektrum des Magna New Frontiers zu erweitern, statt nun einen neuen Fonds aufzulegen? Das haben wir bewusst nicht getan, weil wir einige sehr attraktive, aber wenig liquide Wer- te im Portfolio haben. Diese chancenreichen Investments wollten wir nicht verwässern. Wie groß kann der neue Fonds werden, bevor Sie ihn aus Kapazitätsgründen ebenfalls schließen würden? Die 19 kleineren Schwellenländer sind schon erheblich liquider als die Frontier Markets. Zusammen kommen diese beiden Segmente auf eine Marktkapitalisierung von immerhin 3,3 Billionen US-Dollar. Die Kapazitätsgrenze unserer neuen Strategie sehen wir aktuell bei rund zwei Milliarden Dollar. Heute stehen wir bei null – da haben wir also noch viel vor uns. Betreten Sie mit dem neuen Fonds eigentlich Neuland? Sprich: Gibt es Märkte und Unternehmen, die Sie bis- lang noch nicht auf dem Schirm hatten? Wirkliches Neuland nicht – da hilft uns unsere Erfahrung. Ich habe in den 1990er-Jahren bei Flemings den ersten Osteuropafonds aufgelegt und später einen der ersten Middle-East- Fonds. Bei Schroders war ich Co-Leiter für die globalen Schwellenländer, bei Charle- magne habe ich das Haus, das stark auf Ost- europa ausgerichtet war, zu einem weltweit investierenden Emerging-Markets-Spezialisten entwickelt. Schaue ich mir die heutige Welt der Schwellenländer an, gibt es zugegebener- maßen einen relevanten Markt, auf dem ich mich nicht gut auskenne: China. Denn als ich als Chefanlagestratege für globale Schwellen- länder zuständig war, spielte die Volksrepublik schlicht noch keine signifikante Rolle. Klar ist, dass wir für den neuen Fonds Ressourcen aufgebaut haben. Außerdem konzentrieren wir uns auf ausgewählte Titel aus wenigen Län- dern. Wir möchten höchstens 60 Aktien aus etwa zehn Märkten in den Fonds aufnehmen. Wenn ich davon ausgehe, dass sich etwa 50 Prozent des Portfolios mit dem Magna New Frontiers überschneiden, müssen wir vielleicht noch 25 gute Unternehmen finden, um den neuen Fonds zu bestücken. Das trauen wir uns zu – die entsprechenden Kandidaten haben wir schon auf dem Radar. Vielen Dank für das Gespräch. BERND MIKOSCH | FP Stefan Böttcher: „Als ich neu im Job war, hatten wir eine Woche Zeit, eine Information, etwa die neuen Geschäfts- zahlen eines Unternehmens, im Portfolio umzusetzen. Das Internet gab es ja noch gar nicht.“ Foto: © Daniel Weisser Stefan Böttcher Wer schon einige Zeit in der Investmentbranche un- terwegs ist, kennt Stefan Böttcher noch als Manager des Fleming Eastern European Fund, den 1994 lan- cierten ersten Osteuropafonds, der zum Bestseller wurde. 1999 wechselte der Betriebswirt als Schwel- lenländerchef zu Schroders, zwei Jahre später wurde er von Charlemagne Capital abgeworben. Seit Ende 2016 gehört diese Londoner Investmentboutique zu Fiera Capital, einem kanadischen Asset Manager, der umgerechnet rund 115 Milliarden Euro verwaltet. » Fiera verfolgt einen Multi-Boutique-Ansatz, der den einzelnen Fondsmanagern große Freiheiten gibt. Einheitsbrei werden Sie bei uns nicht finden. « Stefan Böttcher, Fiera Capital markt & strategie I stefan böttcher | fiera capital 204 www.fondsprofessionell.de | 1/2020

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