FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

Foto: © TeamDaf | stock.adobe.com, Willis Towers Watson V iele, vor allem kleinere Lebensversiche- rer in Deutschland kämpfen mit zwei großen Problemen. Zum einen stagniert ihr Anteil am Neugeschäft – die Platzhirsche, allen voran die Allianz, vereinen immer mehr Abschlüsse auf sich. Zum anderen erschweren die Niedrigzinsen das Erwirtschaften von Renditen, vor allem im Hinblick auf das Er- füllen von hohen Garantiezusagen in älteren Verträgen. Kein Wunder, dass eine wachsende Zahl dieser Versicherer überlegt, ihre Bestän- de an klassischen Lebenspolicen an eine frem- de Gesellschaft abzugeben – ein sogenannter externer Run-off (für Details zu unterschied- lichen Formen eines Run-offs siehe FONDS professionell 4/2017, Seite 318). Die Versi- cherungsbranche in Deutschland scheint somit vor einem Umbruch zu stehen, denn bislang sind solche Run-offs trotz des öffentlichkeits- wirksamen Verkaufs der Generali Leben noch selten (siehe Kasten nächste Seite). Daher ist es an der Zeit, einmal genauer auf die Run-off-Plattformen und ihr Geschäfts- modell zu schauen: Wie verläuft eine solche Übertragung? Was muss beachtet werden? Wie erwirtschaften die Plattformen Gewinne? Gehen ihre Kalkulation bisher auf? FONDS professionell hat sich umgehört. Buchprüfung Der Verkauf von Versicherungsbeständen folgt den gleichen Regeln wie die Veräuße- rung eines Unternehmens. Die Run-off- Versicherer als interessierte Käufer erhalten Einblick in die Bilanzen des Bestandes, der abgetreten werden soll. Diesen prüfen sie dann mithilfe von externen Beratern auf Herz und Nieren. „Ein immens wichtiger Punkt ist die Komplexität des Bestandes“, sagt Jan Lei- ding, als Partner bei der Wirtschaftsprüfungs- gesellschaft KPMG für den Geschäftsbereich Deal Advisory Insurance zuständig. „Wenn dieser aus vielen kapitalbildenden Lebensver- sicherungen besteht, ist wichtig zu schauen, wie viele verschiedene Tarife mit welchem Garantieniveau existieren.“ „Die Verwaltung vieler unterschiedlicher Tarife ist komplex, was wiederum hohe Kosten bei der Verwal- tung verursacht“, ergänzt Michael Klüttgens, Leiter der Versicherungsberatung bei Willis Towers Watson in Deutschland. Je komplexer die Struktur, desto teurer der Verkauf. Den beiden Experten zufolge sind ferner die Leistungsfähigkeit der IT des Versicherers und der Aufwand für die Migration der Bestände auf eine andere Gesellschaft ent- scheidende Punkte, die intensiv geprüft wer- den. Zudem sind die Struktur der Kapital- anlagen, die Höhe des Garantieniveaus der vorhandenen Versicherungen und die Rück- stellungen für die seit 2011 vorgeschriebene Zinszusatzreserve (ZZR) wichtige Faktoren. Komplexe Preisfindung In einem weiteren Schritt werden unter Berücksichtigung verschiedener Zukunfts- szenarien mögliche Gewinne und Verluste und damit ein Preis berechnet: „Auf der Habenseite stehen die zukünftigen Prämien- einnahmen und die projizierten Erträge aus den Kapitalanlagen“, erklärt Klüttgens. Dem gegenüber stehen auf der Ausgabenseite die Aufwendungen für die Garantien aus den Policen, die ZZR, die nach der oben erwähn- ten Prüfung erwarteten internen Kosten sowie die Gewinnbeteiligungen. „Das alles wird dann bis zur Abwicklung des Bestands unter verschiedenen Szenarien hochgerechnet und diskontiert – und am Ende steht dort eine Preisindikation“, so Klüttgens. Was sich hier recht einfach anhört, ist in der Praxis hoch- komplex. „Das ist eine Wissenschaft für sich. Es ist viel aktuarielles, aber auch betriebswirt- schaftliches und steuerliches Wissen wichtig“, stellt Leiding klar. Aber auch wenn ein Preis feststeht, ist das selten die Summe, die schließlich gezahlt wird. Die Plattform wird so rechnen, dass ihr am Ende ein Gewinn bleibt. Das wird vor allem dann funktionieren, wenn der abgeben- de Versicherer bereit ist, dem Käufer ein Immer mehr Lebensversicherer denken zumindest darüber nach, ihre Bestände an Run-off-Plattformen zu übertragen. Eine Analyse dieses noch jungen Segments. Zum Davonlaufen? Los geht’s: Abwicklungsplattformen liefern sich einen Wettlauf um die Bestände, die die Lebensversicherer nicht mehr selbst verwalten möchten. Die Run-off-Gesellschaften hoffen dank Kosteneinsparungen auf ein gutes Geschäft. » Noch lässt sich kein abschließendes Urteil zum Erfolg oder Misserfolg der Run-off-Plattformen fällen. « Jan Leiding, KPMG 276 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 fonds & versicherung I run-off-plattformen

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