FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

Vorstandschef des Betriebsrentenverbandes Aba, im Hauptberuf Chefaktuar beim bAV- Berater Aon. Schieflagen der Kassen müssten zunächst durch den Arbeitgeber und Sanie- rungsklauseln beherrscht werden. Keine Insolvenz vorgesehen Für Firmen- oder überbetriebliche Pensions- kassen gilt der Grundsatz, dass sie gar nicht insolvent werden können. In den allermeisten Fällen haben sie sich freiwillig der Bafin- Aufsicht unterworfen. Bei Schieflage werden Leistungen herabgesetzt, Beiträge erhöht oder Nachschüsse von den Arbeitgebern verlangt – alles unter Regie der Finanzaufsicht. Eine Insolvenz ist nicht vorgesehen. Derzeit wacht die Bafin über 133 Pensions- kassen. Nur 21 davon, die zu Lebensversi- cherungskonzernen gehören, sind Mitglied im gesetzlichen Sicherungsfonds Protektor. Sie wurden ab 2002 als sogenannte Wettbewerbs- pensionskassen gegründet, um von der damals eingeführten geförderten Entgeltumwandlung zu profitieren. Bei bAV-Tarifverträgen hatten jedoch oft die Firmenpensionskassen die Nase vorn. Ein Grund: Bei ihnen fielen keine Bei- träge zur Insolvenzsicherung an. Doch das könnte sich nun ändern. Wie aus einem Referentenentwurf des Bundesarbeits- ministeriums hervorgeht, sollen Pensionskas- sen, die nicht gemeinsame tarifliche Einrich- tungen oder Mitglied von Protektor sind, in Anlehnung an die Vorschrift für Pensions- fonds in die Insolvenzsicherung des PSV ein- bezogen werden. Das soll auch für bestehende Verträge gelten, allerdings nur für künftige In- solvenzfälle der Arbeitgeber. Gibt der Gesetz- geber der PSV-Pflicht regulierter Pensionskas- sen tatsächlich grünes Licht, verteuert sich die bAV über diesen Weg. Kein Wunder, dass die Pläne bei den Kassen auf Kritik stoßen. EuGH macht Vorgaben Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte bislang nur gefordert, dass jeder Arbeitnehmer im Fall der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeit- gebers imAlter Leistungen erhalten muss, die mindestens 50 Prozent des Werts seiner er- worbenen bAV-Ansprüche entsprechen (Urteil vom 6. September 2018, Az.: C-17/17). Die- ser Anspruch dürfte nun sogar weiter sinken. Denn Ende 2019 entschied der EuGH, dass die Verluste des Betriebsrentners nur dann unverhältnismäßig sind und notfalls vom Staat aufgefangen werden müssen, wenn der Ex- Arbeitnehmer dadurch unter die von Eurostat ermittelte Armutsgefährdungsgrenze fällt (Ur- teil vom 19. Dezember 2019, Az.: C-168/18). „Die Fähigkeit des Betroffenen, seinen Lebens- unterhalt zu bestreiten, müsste schwerwiegend beeinträchtigt sein“, heißt es in der Urteils- begründung. Allerdings ließ der EuGH durchblicken, dass bei großen Einbußen von Pensionskas- senrenten durch Insolvenz des Arbeitgebers die Staatshaftung greifen könnte. Denn Deutschland habe die Richtlinie 2008/94/EG über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zah- lungsunfähigkeit des Arbeitgebers nur unzu- länglich umgesetzt. Der drohenden Staatshaf- tung versucht Berlin nun mit dem Referenten- entwurf zu begegnen. Experten erwarten das entsprechende Gesetz noch in diesem Jahr. Gute Nachricht für bAV-Berater Das ist wiederum eine gute Nachricht für bAV-Berater, die damit weniger Haftung im Zusammenhang mit der Empfehlung von Pensionskassenzusagen fürchten müssen. Bei späterer Insolvenz des Arbeitgebers trifft sie ohnehin kein Beratungsverschulden. „Es ist allerdings denkbar, dass der Firmenkunde dem Berater im Schadenfall vorwirft, ihn nicht darüber aufgeklärt zu haben, dass bei wirtschaftlicher Schieflage der Kasse Leis- tungskürzungen möglich sind“, sagt Tobias Strübing, Fachanwalt für Versicherungsrecht in der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Bei Insolvenz einer Firma, die mit einer Lebens- versicherungspensionskasse kooperiert, würde Protektor einspringen – besteht der Vertrag mit einer Firmenpensionskasse, künftig der PSV. „Die Haftungslage würde sich für Bera- ter verbessern, weil etwaige Schäden durch Insolvenzen dann durch eine übergeordnete Instanz aufgefangen werden“, so Strübing. Allerdings kämen auf Arbeitgeber Zusatz- kosten für den PSV-Schutz von Pensionskas- senzusagen zu – mindestens in der Größen- ordnung wie bei Unterstützungskassen. Ob sich daher eine Umdeckung auf eine Direkt- versicherung lohnt, ist zweifelhaft, denn die Lebensversicherer müssen für den Insolvenz- schutz über den Sicherungsfonds Protektor ebenfalls Beitrag bezahlen und geben diese Kosten an ihre Kunden weiter. Zudem müss- ten sich die Kunden mit einem niedrigeren Rechnungszins begnügen und womöglich eine erneute Gesundheitsprüfung ablegen. Daher lohnt sich die Umdeckung in der Regel wohl nicht. Soweit mehrere Durchführungs- wege möglich und sinnvoll sind, „wird sich ein Berater künftig genauer mit Kostenstruk- turen und auch Kosten für die Insolvenzsiche- rung auseinandersetzen müssen“, vermutet Fachanwalt Strübing. DETLEF POHL | FP Foto: © Wirth Rechtsanwälte, Hans Scherhaufer Olaf Keese, Kölner Pensionskasse: „Wir konzentrieren uns darauf, die laufenden Leistungen sicherzustellen.“ Tobias Strübing, Wirth Rechtsanwälte: „Berater sollten über das Risiko von Leistungskürzungen aufklären.“ » Erst bei Insolvenz des Arbeitgebers würde der PSV einstehen, nicht bei Insolvenz einer Pensionskasse. « Georg Thurnes, Betriebsrentenverband Aba 282 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 fonds & versicherung I pensionskassen

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