FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020
stratege. „Bankkredite halte ich zwar für ein valides Investment, aber die Produkthülle scheint mir hier nicht adäquat für den Inhalt.“ Der Anleihenexperte hielte es daher „für eine gesunde Debatte“, ob das Dogma der stän- digen Verfügbarkeit für bestimmte Bereiche gebrochen werden solle. „Mit Blick auf Pri- vatanleger ist das aber davon abhängig, an wen und unter welchen Bedingungen solche Produkte verkauft werden“, meint Peters. Kontrolle eingeleitet Rechtlich vorgegeben ist eine tägliche Ein- und Ausstiegsmöglichkeit ohnehin nicht. In der Praxis stehen aber technische Hürden im Weg, wendet Alastair Sewell von der Rating- gesellschaft Fitch ein. „Im Retailgeschäft sind die Vertriebsplattformen darauf angewiesen, dass für die Fonds täglich Kurse gestellt wer- den“, erläutert der Asset-Management-Ana- lyst. In die bestehenden IT-Systeme ließen sich andere Intervalle bislang nicht ohne Weiteres einpflegen. Letztendlich ist dies aber eine Frage des Programmieraufwands. Die Regulierer wiederum gehen das Thema mit unterschiedlichem Elan an. Das Wood- ford-Desaster sowie die Schließung von offe- nen Immobilienfonds auf der britischen Insel schreckten die dortige Finanzaufsicht FCA auf. Die Behörde prüft, ob die Regeln zur Liquidität angepasst werden sollten. Für Im- mobilienfonds hat die Aufsicht bereits einige Vorgaben verschärft. Mit Blick auf offene Pu- blikumsfonds allgemein überlegen die Briten, wie sie mit der täglichen Ausgabe und Rück- nahme von Fondsanteilen verfahren sollen und inwiefern eine striktere Trennung von Retail- und Profianlegern sinnvoll wäre. Tiefergreifende Änderungen der UCITS- Richtlinie obliegen aber der Europäischen Union. Und hier legen die Aufseher nicht so ein Tempo vor wie die Briten. Die EU-Wert- papieraufsicht ESMA will zunächst abklop- fen, inwieweit sich Asset Manager an die Vorgaben zur Liquidität in UCITS-Fonds hal- ten. Im Lauf des Jahres sollen die nationalen Aufsichten prüfen, inwiefern Portfoliomana- ger in der alltäglichen Praxis die Vorgaben umsetzen und sicherstellen, dass sie Anteils- rückgaben stets erfüllen können. Je nach Ergebnis wollen die Regulierer dann über weitere Schritte nachdenken. Deutschen Fonds gab der Bundestag jüngst immerhin schon neue Instrumente zur Liqui- ditätssteuerung an die Hand, etwa die Mög- lichkeit, Rückgabefristen einzuführen (siehe Seite 410). Ob die Branche davon Gebrauch machen wird, ist freilich noch offen. Einige Stimmen mahnen zudem, bei der Diskussion den Fokus nicht auf bereits illi- quide Investments zu beschränken. Auch bei Investments in börsennotierte Werte warnt Fidelity-Chefin Richards davor, sich zu sehr auf vermeintliche Gewissheiten zu verlassen. So seien Fondsmanager bei Engagements in börsennotierten Papieren bislang „insgeheim“ davon ausgegangen, dass „Liquidität immer verfügbar ist, wenn man sie braucht“. Diese Annahme erscheine jedoch fragwürdig. Zu sehr hat sich die Gestalt der Märkte verändert, etwa bei Bonds – wie eingangs erwähnt. „Die Liquidität bei Anleihen floss früher durch einen großen Kanal: die Han- delsabteilungen der Banken“, berichtet Alli- ance-Bernstein-Manager Peters, „heute muss sie sich ihren Weg durch ein verzweigtes Rohrsystem mit Darkpools, Handelsplattfor- men oder den Handelsabteilungen der Asset Manager bahnen.“ Die Möglichkeiten der Bank-Desks seien heutzutage deutlich einge- schränkt, die Anleihen und damit das Risiko auf das eigene Buch zu nehmen. Nachdem die Bondhändler von Alliance Bernstein angesichts dieser Entwicklung Warnsignale gesendet hatten, entwickelte das Haus ein elektronisches Tradingsystem. „In dieser Nutzeroberfläche sind sämtliche Daten der Handelsplätze in einer digitalen Plattform zusammengeführt“, erläutert Peters. Zu den Datenquellen zählen etwa Bloomberg, Mar- ket-Axess oder Tradeweb. Aber auch Daten aus E-Mails, etwa die Angebote von Händ- lern, werden durch einen Algorithmus tran- skribiert. „So stehen die Daten aus verschie- denen Kanälen gebündelt unseren Händlern und Portfoliomanagern zur Verfügung“, berichtet Peters. Sie erhielten gute Einblicke in die Handelbarkeit bestimmter Marktbe- reiche oder einzelner Papiere. Besser gewappnet Das System namens Alfa ging 2016 an den Start und wird immer wieder erweitert. So ergänzte das Unternehmen 2018 den Assisten- ten Abbie, der anhand der Suchkriterien von Portfoliomanagern und auf Basis des hausei- genen Researchsystems, der aktuellen Markt- preise sowie Handelsdaten passende Anleihen heraussucht – ähnlich wie der elektronische Einkaufsassistent des Onlinehändlers Ama- zon. „Dies immunisiert uns nicht gegen einen Liquiditätsengpass an den Märkten, wir sind aber besser dagegen gewappnet“, hält Peters fest. „Wir aktiven Asset Manager müssen neue Wege einschlagen und neue Modelle entwickeln, damit wir nicht wie die Dinosau- rier dastehen“, betont der Alliance-Bernstein- Bondstratege. SEBASTIAN ERTINGER | FP Foto: © Simon Dawson | Bloomberg, Axel Gaube Anne Richards, Fidelity: „Das Kapital kann nicht frei durch den Körper der Weltwirtschaft fließen.“ Markus Peters, Alliance Bernstein: „Wenn alle auf einen Schlag durch die Tür wollen, ist der Ausgang blockiert.“ » Die Liquidität bei Anleihen floss früher durch einen großen Kanal: die Handelsabteilungen der Banken. Heute muss sie sich ihren Weg durch ein verzweigtes Rohrsystem bahnen. « Markus Peters, Alliance Bernstein 344 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 vertrieb & praxis I handelbarkeit
RkJQdWJsaXNoZXIy ODI5NTI=