FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020

nen Jahren die regulatorischen Anforderungen stark gestiegen sind. Da gibt es immer Phasen, in denen fast alle Banken zu bestimmten The- men Mitarbeiter suchen. Vor einiger Zeit betraf das die Bereiche Meldewesen und Com- pliance. Derzeit sehen wir, dass einige britische Banken, die wegen des Brexit nach Frankfurt kommen, verstärkt Mitarbeiter für Regulierung und Risikocontrolling suchen. In den nächsten zwei bis drei Jahren wird der Markt enger, aber das pendelt sich dann wieder ein. Das sind ganz natürliche Entwicklungen, die gab es auch schon in der Vergangenheit. Wir trinken einen eigens für das Bank- haus kreierten Tee aus einer Porzellan- tasse, die das „M“-Logo der Familie Metzler trägt. Wie weit ist die Familie von Metzler noch in die Aktivitäten der Bank eingebunden? Noch sehr. Die Bank befindet sich zu 100 Prozent in Familienbesitz. Friedrich von Metzler war bis zum vergangenen Jahr in der Geschäftsführung tätig. Zu seinem 75. Ge- burtstag zog er sich aus der aktiven Leitung zurück, ist aber weiterhin persönlich haftender Gesellschafter. Die Kinder von Silvia und Friedrich von Metzler, die beide Hauptaktio- näre sind, arbeiten seit rund fünf Jahren in der Bank, Seite an Seite mit den anderen Mit- arbeitern des Hauses. Franz von Metzler ist Portfoliomanager imAsset Management, Ele- na von Metzler betreut Kunden im Private Banking. Der dritte Aktionär, Leonhard von Metzler, ist im Gesellschafterausschuss aktiv und damit der Bank verbunden. Die Familien- mitglieder sind keine anonymen Aktionäre, sondern sie sind in ihrer Bank präsent. Die Familie von Metzler wohnte auch lange Zeit im alten Bankhaus, im sechsten Stock in der Großen Gallusstraße 18. Beide Kinder liefen schon als Kleinkinder durch die Büroflure. Elisabeth von Metzler, Friedrichs Mutter, wohnte dort noch, bis sie über 90 Jahre alt war. Sie ist beispielsweise jeden Tag in die Kantine gekommen. Und beim Umbau schmierte sie den Mitarbeitern Brötchen. Das Bankhaus besitzt ein eigenes Archiv und beschäftigt mit Berenike Seib eine eigene Historikerin und Archivarin. Warum leisten Sie sich im Zeitalter der Digitalisierung und der Kosteneinspa- rungen noch diesen Luxus? Sich mit der Geschichte zu befassen ist für uns ganz wichtig. Metzler und Frankfurt sind eng verwoben, es gibt beispielsweise die Metzlerstraße, das Metzler-Palais und das Museum für Angewandte Kunst in der histo- rischen Villa Metzler, das von uns gefördert wird. Frau Seib ist Historikerin, sie hält Vor- träge und ist auch bei Kundenveranstaltungen und Führungen mit dabei. Und wie wir heute die Vermögensverwaltung gestalten, leitet sich mittelbar aus der Geschichte der Bank ab. Wir machen nun eigentlich ein sehr ähnliches Geschäft wie vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Durch die aufkommende Indus- trialisierung gewannen damals das Kapital- marktgeschäft und die Vermögensverwaltung an Bedeutung. Wir haben schon sehr früh Emittenten von Aktien und Anleihen betreut. Vorher ging es eher um die Finanzierung von Fürstenhäusern. Durch die beiden Weltkriege kam es zu einer Zäsur. Heute ist das Geschäft wieder ähnlich wie vor rund 100 Jahren. Kommen wir wieder zur Gegenwart und zu unserer letzten Frage: Was empfehlen Sie der Politik, damit Ihr Arbeiten leich- ter wird? Wir haben ein grundlegendes Problem: Wir konsumieren zu viel und investieren zu wenig für die Zukunft – und das bei der bereits seit Jahrzehnten andauernden demografischen Entwicklung. Gegenwärtig ist die Geburten- rate nur halb so hoch wie im Jahr 1964. Es wird langsam real, dass die Babyboomer in Rente gehen. Daraus folgt, dass es zuneh- mend zu wenige qualifizierte Leute gibt, bei- spielsweise Handwerker. Gleichzeitig ver- schuldet sich die Welt immer weiter. In der OECD kamen wir 2007 auf eine aggregierte Verschuldung von 270 Prozent des Brutto- inlandsproduktes, heute beläuft sie sich auf rund 320 Prozent. Der Hebel wird immer grö- ßer, und es fällt uns immer schwerer, damit umzugehen. Die aktuelle Zinspolitik erleich- tert dem Schuldner, mit der steigenden Schul- denlast zu leben. Zum Teil finanzieren wir da- durch Blasen, und zum Teil halten wir sinnlos Unternehmen am Leben, die ansonsten nicht überlebensfähig wären. Das ist ein Problem, das nicht lösbar ist, wenn die Politik es nicht lösen will. Bei vielen Politikern ist ja durchaus Einsicht vorhanden, sie muss jedoch auch in politisches Handeln transformiert werden. Das ist sehr schwer. Die Ehrlichkeit hat sich noch nicht durchgesetzt, aber vielleicht wird man auch nicht für die Ehrlichkeit gewählt. Vielen Dank für das Gespräch. MARCUS HIPPLER | FP » Es gibt bei uns keine indivi- duellen Ziele für den einzelnen Betreuer. Wir wollen damit Fehlanreize vermeiden – und gar nicht erst andeuten. « Emmerich Müller, Bankhaus Metzler Foto: © José Poblete Emmerich Müller: „Wie wir heute die Vermögensverwaltung gestalten, leitet sich mittelbar aus der Geschichte der Bank ab. Wir machen nun eigentlich ein sehr ähnliches Geschäft wie vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges.“ bank & fonds I emmerich müller | bankhaus metzler 386 www.fondsprofessionell.de | 1/2020

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