FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2020
Foto: © Anna Kucherova | stock.adobe.com I n der Eschersheimer Landstraße 121–123 versteckt sich ein Kleinod der Frankfurter Bankenszene: Im fünften Stock des un- scheinbaren Bürogebäudes sitzt das Institut für Bank- und Finanzgeschichte. Das IBF widmet sich der finanzhistorischen For- schung und möchte diese in die Praxis und die Öffentlichkeit hinein vermit- teln. Zugleich bietet es eine Plattform für den interdisziplinären Dialog zwi- schen Wissenschaftlern und Ent- scheidern aus Politik und Wirt- schaft. Obwohl das Institut jüngst sein 50-jähriges Bestehen feierte, ist es hierzulande kaum bekannt. Dies sollte sich in den bewegten Zeiten, in denen sich die Kreditinstitute derzeit befinden, eigentlich än- dern. Denn: „Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergan- genheit blättern“, wie der franzö- sische Schriftsteller und Politiker André Malraux schon vor rund 80 Jahren erkannt hat. Gründer Ein Name hat das IBF geprägt wie kein Zweiter: Erich Achterberg. Der Wirt- schaftsjournalist war Mitgründer und die trei- bende Kraft hinter dem Projekt. Achterberg schrieb bereits seit den 1920er-Jahren über das Finanzgeschehen. 1948 gehörte er zu den Mitgründern der heute noch existierenden „Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen“ und arbeitete dort bis 1962. Danach rief der Nationalökonom sein eigenes bankhistori- sches Institut ins Leben, aus dem 1969 das IBF hervorging. Zum Kreis der Gründer zähl- ten die Deutsche und die Dresdner Bank so- wie die Bayrische Vereinsbank. Heute sind fast alle heimischen Kreditinstitute und Ban- kenverbände Mitglieder des Instituts. Damit das erforschte Wissen auch unters Volk gebracht wird, veranstaltet das IBF re- gelmäßig Vorträge und Symposien. So konn- ten Interessierte Ende Januar einen Beitrag über „Die Zähmung des globalen Finanzkreis- laufs“ hören, bei dem es um den Umgang der Zentralbanken mit Kapitalströmen im klassi- schen Goldstandard von 1870 bis 1914 ging. Wichtiger Blick zurück Der Blick auf die Finanzgeschichte scheint in Zeiten von Negativzinsen und hohen Schulden aktueller denn je. „Die Finanz- und Wirtschaftskrise von 2007 hat offenbart, wie riskant es werden kann, Geschäftsmodelle und wirtschaftspolitische Konzepte auf ökonomi- sche Prognosen zu stützen, die lediglich auf kurzfristigen Betrachtungen beruhen“, sagt die Wirtschafts- und Sozialhistorikerin Friederike Sattler, die Studien am IBF veröffentlicht hat. Unternehmen und Politik seien besser beraten, die langfristige historische Perspektive einzu- beziehen, die sich mit der Entwicklung von Märkten über viele Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte beschäftigt. Was die langfristige Analyse manchmal ergibt, dürfte vielen Entscheidern nicht passen: „Der quantitativ arbeitenden, auf lange Datenreihen angewiesenen Finanz- geschichte, wie sie Moritz Schularick in Bonn etabliert hat, verdanken wir die Ein- sicht, dass eine lockere Geldpolitik häufig zu Übertreibungen insbesondere auf den Hypotheken- und Immobilien- märkten führt, die mit hoher Wahr- scheinlichkeit Finanzkrisen auslösen und sodann in ausgesprochen tiefe und lang anhaltende Rezessionen münden“, warnt Sattler. Technischer Fortschritt Wohl kaum ein Thema treibt die Banken derzeit mehr um als die Di- gitalisierung. Durch sie dehnt sich der Wettbewerb auf innovative Fi- nanzdienstleister wie Fintechs und die Größen der IT-Branche wie Google, Amazon oder Apple aus. „Damit ver- legen sich attraktive Schnittstellen zum Kunden auf andere Medien – von der Filiale zum Smartphone – und auf andere An- bieter – von der Bank zum Big-Tech-Player“, sagt IBF-Vorstandschef Thomas Groß. „Da sich daraus Änderungen des Kundenverhal- tens und der Wertschöpfungsketten ergeben, sind die Banken gezwungen, ihre Geschäfts- modelle zu überdenken.“ Auch hier lohne sich ein Blick zurück: „Die Bankengeschichte des 20. Jahrhunderts zeigt, dass technische Innovationen den Banken er- hebliche Entwicklungschancen eröffnen konn- ten“, sagt Groß, der im Hauptberuf ab diesem Sommer die Geschicke der Helaba leiten wird. Er verweist darauf, dass Banken bereits nach dem Ersten Weltkrieg neue Kommuni- kationsmittel nutzten, um beispielsweise ihr Filialsystem zu steuern und zu kontrollieren. In den späten 1960er Jahren setzten die Insti- tute dann die aufkommende Computertechnik ein, um den wachsenden Kostendruck, der durch die großflächige Eröffnung neuer Filia- len entstanden war, aufzufangen. Auch auf die Aus Alt mach Neu » Die Finanzkrise hat offenbart, wie riskant es werden kann, Geschäftsmodelle auf Prognosen zu stützen, die lediglich auf kurz- fristigen Betrachtungen beruhen. « Friederike Sattler, Historikerin In alten Dokumenten lassen sich viele Schätze entdecken, die mit einer schlichten Google-Suche nicht zu finden sind. Besonders interessant ist es, historische Daten mit den Mitteln der Digitalisierung aufzubereiten. Das IBF forscht zur Bank- und Finanzgeschichte und möchte dieses Wissen in die Gegenwart transportieren. Auch Banken zeigen Interesse an der Vergangenheit. 394 www.fondsprofessionell.de | 1/2020 bank & fonds I forschung
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