FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2020
ist. Der normale Wertpapierinhaber hält recht- lich einen Miteigentumsanteil an der Global- urkunde. Beim Token hingegen entfällt gerade dieser Aspekt der physischen Materialität, der sich im deutschen Zivilrecht bisher aber hält. Die „tokenisierte Schuldverschreibung“ wäre dann aus zivilrechtlicher Perspektive gewissermaßen ein Widerspruch in sich selbst. Aufsichtsrechtlich, auch weil der EU- rechtlich geprägte Wertpapierbegriff die Papierform nicht erfordert, ist ein Immo- bilien-Token gleichwohl ein Wertpapier. „Der Gesetzgeber hat das Potenzial der Blockchain bei der Abbildung von Wert- papieren erkannt“, sagt Jens Siebert, Vor- stand der Investmentplattform Kapilendo, und verweist auf die Blockchain-Strategie der Bundesregierung, die besage, „dass die derzeit zwingende Vorgabe der urkund- lichen Verkörperung von Wertpapieren, also die Papierform, nicht mehr uneinge- schränkt gelten soll“. Das verweist zwar auf eine noch in der Zukunft liegende zivilrecht- liche Regelung. Einstweilen jedoch ist die „tokenisierte Schuldverschreibung“ das regu- latorische Mittel der Wahl. Schwierigkeiten beim Handel Als große Stärke des Tokens wird von den meisten Anbietern ins Feld geführt, dass er jederzeit und weltweit frei handelbar sei. Aber nicht nur weil das Produkt noch so neu ist, gibt es mit dem Handel und der Übertrag- barkeit von Immobilien-Token bisher kaum Erfahrung. An Wertpapierbörsen dürfen Token zwar gehandelt werden, diese verfügen aber noch nicht über die notwendige Technik. Eine Übertragung von Wallet zu Wallet ist hinge- gen schon möglich. Ein neuer Eigentümer kann jedoch aus Gründen der Geldwäscheprä- vention nicht gleich darüber verfügen. „Möch- te jemand seinen Token in eine andere Wallet übertragen, dann muss sich der Inhaber dieser Wallet bei uns zu erkennen geben, indem er den üblichen ‚Know your Customer‘-Prozess durchläuft“, sagt Marc Drießen, Geschäfts- führer des Token-Anbieters Bloxxter. „Ein Token kann grundsätzlich auf einen dezentralen Handelsplatz wie zum Beispiel den Stellarport verschoben und dort zum Kauf angeboten werden“, erläutert Alexander Braune vom Token-Anbieter Klickown. „Fin- det sich ein Käufer, geht der Token in den Besitz des neuen Eigentümers über.“ Der hat den Private Key dann in seiner Wallet, und auf der zugehörigen Blockchain wird die neue Adresse des Tokens eingetragen. Um seinen Rückzahlungs- und Zinsanspruch allerdings auch einlösen zu können, muss er sich zunächst gegenüber dem Anspruchsgegner, also dem Emittenten oder der Plattform, die für ihn ein Anlegerverzeichnis führt, zu erkennen geben. Er muss dann dieselbe Prozedur zu seiner Identifizierung durchlaufen, als würde er sich dort als Neukunde anmelden. Es gibt noch keine mit einer Börse ver- gleichbaren Handelsplätze mit Market-Maker- Struktur. Einstweilen kommen Transaktionen nur zustande, wenn Käufer auf Verkäufer aufeinandertreffen und sich auf einen Handel einigen. „So lange das so ist, bieten wir unse- ren Kunden an, Token zurückzukaufen“, sagt Drießen. Auch Thomas Meyers Connex Coin, der als Nachrangdarlehen mit Rangrücktritt ohnehin vom Handel ausgeschlossen ist, kom- pensiert die fehlende Handels- mit einer kurz- fristigen Kündigungsmöglichkeit. Nachrang Alle bisherigen Angebote von Immobilien- Token sind mit einem sogenannten qualifizier- ten Rangrücktritt ausgestattet. Das heißt nicht nur, dass alle anderen Gläubiger – in der Regel sind das die finanzierenden Banken – bevorrechtigt bedient werden. Es heißt auch, dass die Token-Inhaber keine Ansprüche gegen den Emittenten geltend machen dürfen, wenn dadurch ein Insolvenzgrund herbei- geführt würde. Knirscht es bei seinem Schuld- ner, können die Ansprüche des Anleger- Gläubigers auf eine sehr lange Bank geschoben werden. Eine Durchgriffs- möglichkeit auf die Immobilie oder ande- re Sicherheiten hat er – im Gegensatz zur Bank – auch nicht. Das sind aber spezielle Risiken der nachrangig ausgestalteten Vehikel. Spezi- fische Risiken der jeweiligen Immobilien kommen noch hinzu. Beide Risikoarten haben aber mit der Tokenisierung einer Immobilie nichts zu tun. Das hohe Maß an disruptivem Potenzial, das die Blockchain hat, rührt nicht zuletzt von ihrem hohen Maß an Sicherheit her. Deshalb werden sich block- chainbasierte Investmentprodukte über kurz oder lang auch durchsetzen, vor allem wenn auch anlegerfreundlichere Vehikel als nach- rangige Schuldverhältnisse auf die Blockchain kommen. „Die Blockchain-Entwicklung ist heute in etwa so weit wie das Internet im Jahr 1992“, beurteilt Sven Hildebrandt, Partner des Beratungshauses DLC Distributed Ledger Consulting, die Lage. „Es ist noch langsam, die User Experience ist noch nicht wirklich gut, und es ruckelt noch an einigen Stellen. Aber immer mehr Leute merken: Es geht nicht mehr weg.“ TILMAN WELTHER | FP Foto: © Bloxxter | Klickown Marc Drießen, Bloxxter: „Wie bieten unseren Kunden an, Token zurückzukaufen.“ Alexander Braune, Klickown: „Finden sich Verkäufer und Käufer, dann kann ein Token gehandelt werden.“ » Ein Token kann grundsätzlich auf einen dezentralen Handelsplatz verschoben und dort zum Kauf angeboten werden. « Alexander Braune, Klickown 202 www.fondsprofessionell.de | 2/2020 sachwerte I immobilien-token
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