FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2020

Herr Lang, das heißt aber auch, dass Sie womöglich ein Investmentchef ohne „eige- ne“ Bestände wären? Lang: Bis wir die Software zur Fondsab- wicklung zur Verfügung stellen, ist das so. Pradetto: Ihre Frage ist ein gutes Beispiel für „altes Denken“! Der Wert ist nicht das Produkt! Der Wert ist der Kunde und der Kontakt zum Kunden. Wer den „Touch- point“beherrscht,macht das Geschäft. Das lässt sich überall in der digitalen Wirtschaft beobachten. Die Musikindustrie hat viel zu lang am Tonträger festgehalten, jetzt verdie- nen die Streamingdienste das Geld. Das Produkt ist austauschbar, der Kunde will, dass sein Bedürfnis erfüllt oder sein Pro- blem gelöst wird. Und ein Problem kann nur lösen, wer den Kontakt zum Kunden hat. Makler, die das verstanden haben, feiern in der digitalen Welt tolle Erfolge. Lang: Viele Maklerpools möchten am liebs- ten alles selbst bauen, um ihren Vermittlern ein breites Angebot bieten zu können.Mit Arbeitsteilung ist das gar nicht nötig. Ich brauche kein großes Team oder „eigene“ Bestände, sondern nur einen guten Ab- wickler, der mit uns kooperiert.Die 50 Pro- zent der Blau-direkt-Makler, die schon Fonds vermitteln, freuen sich darauf, dass sie ihren Kunden bald alles aus einer Hand bieten können. Das ist auch der Wunsch der Endkunden. Welcher Dienstleister im Hintergrund welche Aufgabe übernimmt, ist ihnen egal. Sie verfolgen ambitionierte Wachstums- pläne. Heißt das, dass Sie anderen Pools was wegnehmen möchten? Oder wächst der Markt insgesamt stärker, wenn das Geschäft kundenorientierter wird? Pradetto: Der Markt dürfte insgesamt wach- sen. Allerdings ist es schon so, dass wir eini- gen etwas wegnehmen werden.Wieder ein Beispiel aus der Digitalwirtschaft: Facebook hat eigentlich kein einziges eigenes Pro- dukt und gehört dennoch zu den größten Unternehmen der Welt. Keine Firma muss auf Facebook vertreten sein oder dort Wer- bung schalten. Doch die, die das tun, sind mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreicher. Die anderen verlieren schleichend Markt- anteile. Wir haben heute schon die meist- genutzte PIM-App der Pools und Finanz- vertriebe und uns dadurch eine marktfüh- rende Stellung erarbeitet. Das wird auch im Fondsgeschäft funktionieren. Eine tolle App hat angeblich jeder Vertrieb. Pradetto: Eine App kann jeder bauen. Es kommt darauf an, was sie leisten kann.Wir haben es geschafft, dass die Daten, die der Kunde in der App sieht, tatsächlich aktuell sind und er immer Zugriff auf alle relevan- ten Dokumente hat. Wenn der Sachbear- beiter eines Versicherers beispielsweise die Versicherungssumme eines Vertrags erhöht, ist die Änderung nach durchschnittlich siebeneinhalb Minuten in unserem System, beimMakler und beim Kunden. Das geht nur mit einem entsprechenden Daten- management im Hintergrund. Unsere Kunden werfen nach durchschnittlich zwei Jahren ihren Versicherungsordner weg,weil sie gemerkt haben: Es funktioniert ja tat- sächlich! Für die Kundenbindung ist das Gold wert. Früher konnte ein Vermittler sagen: Geben Sie mir kurz Ihren Versiche- rungsordner mit, dann suche ich Ihnen günstigere Policen. Heute sagt er: Ich leihe mir mal ein paar Tage Ihr Handy aus. Ha! Niemals! Pradetto: Bei diesem Gag lacht komischer- weise jeder. Den Versicherungsordner mit höchstpersönlichen Daten gibt man be- denkenlos aus der Hand, das Smartphone aber nicht. Das ist der Punkt! Ein Makler, der es aufs Handy seines Kunden schafft, hat ihn für den Wettbewerb dichtgemacht. Der digitale Versicherungsordner ist aber nichts, was die Kunden regelmäßig nutzen. Pradetto: Klar, das ist ja auch nur die Basis. Wir haben jetzt die Funktion freigeschaltet, dass der Kunde jeden Vertrag per Knopf- druck vergleichen kann. Viele Makler woll- » Der Kunde ist ›instant‹ geworden, er möchte seine Frage sofort beantwortet haben. « Oliver Pradetto, Blau direkt VERTRIEB & PRAXIS Oliver Lang + Oliver Pradetto | Blau direkt FOTO: © THOMAS BERG 304 fondsprofessionell.de 3/2020

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