FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2020

ten das erst gar nicht, schließlich sind sie ja die Experten, die die Tarife aussuchen. Der Kunde wechselt seine Versicherung aber ohnehin nur, wenn er sich über den Ver- sicherer geärgert hat. Heute tut er das über ein Vergleichsportal, künftig bleibt er in der App – und geht dem Makler nicht verlo- ren. Ganz neu ist, dass wir alle Verträge automatisiert jedes Jahr durchrechnen kön- nen. Der Kunde bekommt dann eine Mit- teilung, dass er etwa bei der Kfz-Haftpflicht 40 Euro sparen könnte. Wir haben 500 Endkunden telefonisch befragt, sie sind begeistert. Sie decken ihren Vertrag aber dennoch nicht um. Früher hatten wir bei Kfz-Policen 20 bis 30 Prozent Wechsel im Jahr,mit dem neuen Tool sind es nur zwei Prozent! Sprich: Wir haben viel weniger Arbeit mit den Kunden, doch die sind zufriedener als vorher.Was will man mehr? Und ähnliche Funktionen soll es künftig auch für die Geldanlage geben? Lang: Die Idee, eine Plattform konsequent um den Kunden herum zu bauen, ist auch in der Fondswelt bestechend.Denkbar sind ein fortlaufender automatisierter Abgleich des Depots mit dem Anlegerprofil oder Ideen für passende Sparpläne. Das entlastet die Berater und verbessert die Kundenbin- dung. Überzeugende Tools dieser Art für den breiten Markt habe ich noch nicht gesehen, auch wenn ich mittlerweile einige Maklerpools von innen kenne. Pradetto: Wichtig ist die Erkenntnis, dass neue Möglichkeiten Verhaltensänderungen hervorrufen. Früher war das Auto die ein- zige Möglichkeit, ohne großen Aufwand rauszukommen. Darum hat unsere Gene- ration den Tag der Führerscheinprüfung herbeigesehnt. Heute sagt einem Google auf die Minute genau, wie lange man zu Fuß, mit dem Rad, dem Bus oder per Taxi braucht. Was ist die Konsequenz? In unse- rem Unternehmen, in dem das Durch- schnittsalter bei 29 Jahren liegt, hat jeder Zweite keinen Führerschein. Was heißt das für die Finanzberatung? Pradetto: Viele Makler meinen, der Kunde will eine ausführliche Beratung, auch wenn er nur eine Hundeversicherung braucht. Er möchte instant eine Lösung. Findet er diese nicht bei seinem Vermittler, kümmert er sich selbst online darum. Bei komplexen Fragestellungen soll es aber nach wie vor der Experte sein. Pradetto: Und zwar der, den ich ohnehin schon kenne. Darum ist es so wichtig, sich im Netz als Experte zu präsentieren. Wer einen guten Blog über Berufsunfähigkeits- versicherungen schreibt, macht sich nicht überflüssig, im Gegenteil! Die Interessen- ten finden bei ihm Antworten auf viele ihrer Fragen. Wenn sie eines Tages tatsäch- lich eine Police abschließen, werden sie das wie selbstverständlich bei ihm tun – weil sie ihm vertrauen. Sobald ich einmal Ver- trauen gefasst habe, ist mir übrigens egal, was der Berater genau tut, ob er tatsächlich den besten Tarif entdeckt hat. Da kommt wieder die App ins Spiel: Das Handy ist mein Gerät, gewissermaßen ein Teil von mir.Wenn mein Gerät mir sagt,was zu tun ist, hat das einen enormen Stellenwert. Lang: Eine naheliegende Anwendung für den Fondsbereich ist die schnelle Infor- mation nach einem Kurseinbruch: Was ist passiert? Welche Optionen gibt es? Wie lautet die Empfehlung? Da reicht ein Serienbrief drei Wochen später nicht aus, das muss sofort passieren. Dann sieht der Anleger, dass sich jemand kümmert – und kann sich beruhigt wieder den Dingen widmen, die ihm wirklich wichtig sind. Vielen Dank für das Gespräch. BERND MIKOSCH FP » Die Idee, eine Plattform konsequent um den Kunden herum zu bauen, ist auch in der Fonds- welt bestechend. « Oliver Lang, Blau direkt KURZ-VITA: Lang, Pradetto Oliver Lang arbeitete für Allianz Global Investors, bevor er 2011 BCA-Vorstand wurde. Anfang 2018 wechselte er in glei- cher Funktion zu Jung, DMS & Cie. Im Juni 2020 erweiterte er die Blau-direkt-Geschäftsführung. Oliver Pradetto leitete früher eine Repräsentanz der Deutschen Ärzteversicherung. Im Jahr 2000 gründete er gemeinsam mit seinen Kollegen Sandra Heidemüller und Lars Drückhammer Blau direkt. VERTRIEB & PRAXIS Oliver Lang + Oliver Pradetto | Blau direkt FOTO: © THOMAS BERG 306 fondsprofessionell.de 3/2020

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