FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2020

das Sondervergütungsverbot zu umgehen. Ein anderer möglicherweise richtungwei- sender Aspekt dieses Urteils: Das Gericht machte klar, dass es die gegen das Verbot gerichteten Gerichtsbegründungen aus den Jahren vor 2017 (siehe Kasten unten) nicht berücksichtigt. „Das ist eine wichtige Frage bei allen neuen Prozessen zum Verbot: Werden die Richter die alten Entschei- dungen nun vergessen oder werden sie sie weiter heranziehen?“, so Karsten Rütte von der Kanzlei Steinhauer & Günther Rechts- anwälte aus Menden. Tippgeber UG Das Urteil dürfte die zweite Gesellschaft, die das Gesetz in ihrem Sinne auszulegen versucht, sicherlich zur Kenntnis nehmen: die Tippgeber UG aus Leverkusen, die als Mehrfachagent ausschließlich private Kin- derversicherungen vermittelt. Wie der Na- men erahnen lässt, setzt das Unternehmen auf das Tippgebermodell, das völlig legal ist.Der Clou hier ist aber, dass ein Elternteil als Vertreter des Kindes Versicherungs- nehmer wird, während das andere Eltern- teil als Tippgeber agiert, der einen Anteil der Abschlusscourtage zurückerhält. Die Geschäftsführer Christoph Huebner und Markus Herrmann gründeten die Ge- sellschaft 2010. Beide sind erklärte Gegner des Verbots, das sie als Einschränkung der Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit einstu- fen: „Das Provisionsabgabeverbot als Rege- lung nur für die Versicherungsvermittler und nur in Deutschland ist einfach aus der Zeit gefallen. Es ist weder im Interesse eines freien Wettbewerbs noch der Verbraucher“, meint Huebner. „Dass es Fehlanreize setzen soll, ist vor allem mit Blick auf die Storno- haftung schlicht absurd.“Herrmann und er möchten auch vor Gericht für die Abschaf- fung kämpfen. Den Gefallen hat ihnen ein Makler aus dem Norden getan und sie vor rund zwei Jahren wegen Verstoßes gegen das UWG in Verbindung mit Paragraf 48b VAG ver- klagt. „Mitte 2019 gab es eine mündliche Anhörung vor dem Landgericht Hamburg, das den Gegner darauf hinwies, dass der im Verfahren gestellte Antrag deutlich zu weit gefasst ist, da durch den Antrag auch ein gesetzlich ausdrücklich erlaubtes Verhalten untersagt werden sollte“, berichtet Rütte, der Huebner und Herrmann vor Gericht vertritt. Der Makler stellte daraufhin einen geänderten Antrag, seitdem liegt das Verfahren auf Eis. Das LG Hamburg soll grundsätzlich klä- ren, ob es das Gesetz zulässt, dass Tipp- geber und Versicherungsnehmer nur rein formal nicht ein- und dieselbe Person sind. Oder ob Paragraf 48b VAG weiter ausge- legt werden muss, sodass die enge Einheit von Versicherungsnehmer und Tippgeber letztlich verboten ist. Die Sicht der Lever- kusener ist klar: „Wichtig ist nur, dass die Provisionen nicht direkt an den Versiche- rungsnehmer gezahlt werden. Dann er- laubt das Gesetz solche Zahlungen“, so Rütte. Der Jurist befürchtet aber, dass das Gerichtsentscheide zum Provisionsabgabeverbot bis 2016 Gerichtliche Auseinandersetzungen um das Verbot gab es lange Zeit nicht. Erst ab dem Jahr 2000 sind Streitigkeiten bekannt. Diese mündeten in den Entscheid des Bundesgerichtshofs vom 17. Juni 2004 (Az. III ZR 271/03), dass ungeachtet des aus den Vorschriften folgenden Verbots die Provisionsabgabe zivilrechtlich erlaubt ist. 2011 erstritt der Vermittler AVL vor dem Verwal- tungsgericht (VG) Frankfurt gegen die Bafin, dass er auch in aufsichtlicher Hinsicht Courtagen erstatten darf. „Die Richter begründeten ihren Ent- scheid damit, dass die Rechtsgrundlage für das Provisionsabgabeverbot nicht hinreichend bestimmt war. So haben die Richter bemängelt, dass der Begriff Sondervergütung „nicht klar definiert“ ist, erklärt Rechtsanwalt Oliver Korn von der Berliner Kanzlei GPC Law. Daraufhin sanktionierte die Bafin Ver- stöße gegen das Verbot nicht mehr. In der Folge entwickelten sich verschie- dene Geschäftsmodelle auf Basis von Sonder- vergütungen, darunter Moneymeets. Das Fintech gewann 2015 vor dem Landgericht Köln gegen einen Makler, der Klage eingereicht hatte. Die Richter sahen unter Verweis auf das VG-Urteil die Begründung in der Verordnung von 1934 nicht als hinreichend an. Sie könne nicht als Grundlage für eine Marktverhaltensregel dienen, auf deren Basis eine Klage möglich sei. Der Makler ging zwar in Berufung, aber auch vor dem Oberlan- desgericht Köln gab es am 11. November 2016 eine Niederlage. „Ein Unterlassungsanspruch scheitert daran, dass das sog. ‚Provisionsabga- beverbot‘ keine Marktverhaltensregelung i.S.d. Paragraf 3a UWG (Paragraf 4 Nr. 11 UWG a. F.) – mehr – darstellt, sodass ein Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstanden ist“, heißt es im Urteil. » Bei einer dauerhaften Prämienreduktion für den Kunden dürfen Provisionen erstattet werden. « Dieter Lendle , Gonetto STEUER & RECHT Provisionsabgabeverbot FOTO: © CHRISTOPH HUEBNER, GONETTO 432 fondsprofessionell.de 3/2020

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