FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2021
ren. Ein Versicherer kann über eine hervor- ragende Solvenzquote verfügen und damit nach Solvency II bestens dastehen. Zu- gleich kann das Unternehmen aber in der Bilanz nach demHandelsgesetzbuch enor- me Schwierigkeiten haben. Das liegt ganz einfach an den unterschiedlichen Bilanzie- rungsvorschriften. Müssen wir da jetzt tief einsteigen? Schneidemann: Nein, ich möchte damit nur zumAusdruck bringen, dass es zu einer ein- seitigen Sichtweise führt, wenn man außer der Solvenzquote keine weiteren Kennzah- len betrachtet. Auch die Quote ist ohne weitere Interpretation nicht aussagekräftig. Warum nicht? Schneidemann: Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Nach Solvency II ist ein Versicherer umso stabiler aufgestellt, je mehr er in festverzins- liche Papiere investiert ist, da diese nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen. Wenn man Zinspapiere wie wir aber zugunsten einer höheren Rendite relativ schnell abbaut und in risikoreichere Assets umschichtet, dann sinkt die Solvenzquote. Unsere Quote liegt ohne Übergangmaß- nahmen derzeit bei 60 Prozent.Wir stehen dazu, weil unsere Kapitalanlage mit weni- ger als 50 Prozent Zinspapieren für die Kunden deutlich vorteilhafter ist. Leider sind wir an den Pranger gestellt worden, weil eine Studie nur auf die reine Solvenz- quote geschaut hat, obwohl unsere Kapi- talanlagepolitik unsere Stärke und nicht unsere Schwäche zeigt. Eine Solvenzquote ist immer nur eines von mehreren Indizien dafür, wie es einem Versicherer geht, aber keine Kennzahl, mit der man ein Ranking aufstellen kann. Einen vollen Durchblick bieten immer nur mehrere Zahlen. Schlagkräftige Argumente. Da müssen Sie jetzt ran, Herr Kleinlein! Kleinlein: Ich gebe Herrn Schneidemann recht, dass eine einzelne Quote nicht aus- reicht. Daher haben wir auch sieben Kenn- zahlen genommen und geben damit an- hand unseres Ampelsystems eine grobe Einschätzung, ob wir einen Versicherer gut oder mittelmäßig finden. Die reine Sol- venzquote ohne Übergangsmaßnahmen haben wird in unserer Studie als zentrale Größe genommen, was auch die EIOPA für richtig hält. Denn einzig und allein diese Kennzahl bietet eine Vergleichbarkeit über alle Versicherer hinweg. Alles andere ist Augenwischerei. Wie man diese Zahl interpretiert, darüber kann man in der Tat streiten. Themenwechsel: 2011 hat der Gesetz- geber die Zinszusatzreserve, kurz: ZZR, eingeführt, damit dieVersicherer die Belas- tungen durch die älteren, hochverzinsten Policen stemmen können. Ist die ZZR Fluch oder Segen? Schneidemann: Mit der ZZR haben die Versicherer sehr gut vorgesorgt, sodass sich die Zinsbelastung insgesamt künftig auf 1,8 Prozent reduziert. Die Lasten der Ver- gangenheit aus den Altbeständen existieren so gar nicht mehr. Kleinlein: Es ist wohl kaum die Branche, die gut vorgesorgt hat, es sind die Kunden, die auf Überschüsse verzichten müssen. Es ist doch nicht von der Hand zu weisen, dass sich die ZZR aus Rohüberschüssen speist und damit auch die Überschussbeteiligun- gen der Versicherten mindert. Stimmt, Herr Schneidemann, oder? VITA: Herbert Schneidemann Herbert Schneidemann, Jahrgang 1967, studierte an der Univer- sität Würzburg Mathematik mit Nebenfach Betriebswirtschafts- lehre und promovierte 1996 im Bereich der statistischen Quali- tätskontrolle. Seitdem ist Schneidemann in der Lebensversiche- rungsbranche tätig. Er begann bei der Huk-Coburg und wechselte 2007 zu den Bayerischen Beamten Versicherungen. Dort ist er seit 2008 Vorstandsmitglied, seit Anfang 2012 hat er den Vorsitz der Vorstände für die gesamte Versicherungsgruppe inne. » Wir sind an den Pranger gestellt worden, weil eine Studie nur auf die reine Solvenzquote geschaut hat. « Herbert Schneidemann, Die Bayerische FONDS & VERSICHERUNG Streitgespräch | Axel Kleinlein, BdV | Herbert Schneidemann, Die Bayerische 252 fondsprofessionell.de 1/2021 FOTO: © JOST FINK ,DIE BAYERISCHE STREIT GESPRÄCH
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