FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2021
Schneidemann: Natürlich sind die Über- schussbeteiligungen gesunken. Aber Herr Kleinlein vergisst einen wichtigen Punkt. Trotz des Aufbaus der ZZR liegt die Ver- zinsung in der Branche zwischen zwei und drei Prozent – und damit deutlich über dem, was am Kapitalmarkt an Zinspapie- ren so geboten wird. Herr Kleinlein, Sie haben das Stichwort Überschussbeteiligungen genannt. Sie hal- ten dieses System für intransparent. Bera- ter können es ihren Kunden aber erklären. Kleinlein: Wenn ich bedenke, wie oft des- wegen vor Gericht gestritten wird und der Bundesgerichtshof der Versicherungswirt- schaft am Ende erläutern muss, wie die Überschussbeteiligung funktioniert, dann glaube ich nicht, dass viele Berater das Sys- tem erklären können.Wir haben die Rück- stellung für Beitragsrückerstattung, Schluss- überschussanteilfonds, die ZZR, die Min- destzuführungsverordnung.Das sind nur ei- nige Faktoren, die sich darauf auswirken,wie hoch die Überschussbeteiligung eines Kun- den ausfällt. Doch genau davon hängt der Erfolg einer Police ab. Leider sind die Versi- cherungsnehmer diesem komplexen und hochgradig schwierigen System ausgeliefert. Daher ist die Lebensversicherung als Alters- vorsorge legaler Betrug, auch wenn die Re- geln vomGesetzgeber abgesegnet wurden. Schneidemann: Der BdV sagt das seit Beginn der 1980er-Jahre. Die Transparenz ist seit damals aber nachweislich deutlich größer geworden. Die Mindestzuführungsverord- nung regelt klar, was der Kunde bekommt. Die Lebensversicherung ist ein kollektives System, das intransparenter wirken mag als ein individuelles System. Aber ein kollek- tives System bringt den Risikoausgleich über die Zeit. Zudem haben Kunden die Chance, mit kleinen Summen in illiquide Anlagen zu investieren, etwa in Infrastruk- turprojekte. Einen wichtigen Punkt haben wir noch: die Vertriebsvergütungen. Die Bundesregie- rung hat ihre Pläne für einen Provisions- deckel bei Lebensversicherungen zunächst einmal zurückgestellt. Wie finden Sie das, Herr Kleinlein? Kleinlein: Wir brauchen einen Provisions- deckel, die Verwerfungen bei den Vermitt- lervergütungen sind offenbar.Gemessen an den garantierten Leistungen haben sich die Provisionen in den vergangenen 20 bis 30 Jahren verdreifacht, zum Teil sogar vervier- facht. Leider ist die aktuelle Regierung we- der willens noch fähig, hier einen Deckel zu verfügen. Ich hoffe, dass wir mit der nächsten Regierung einen Finanzminister bekommen, der sich gegenüber der Versi- cherungswirtschaft gerade machen kann. Schneidemann: Dass unsere Positionen hier nicht übereinstimmen, dürfte klar sein. Gemessen daran, was Kunden an Prämien zahlen, sind die Provisionen in den vergan- genen Jahren nicht gestiegen. Marktunter- suchungen zeigen auch, dass die Provisio- nen nicht exorbitant sind, sondern dass der Durchschnitt angemessen ist. Daher sehe ich keine Notwendigkeit, darauf mit einem bürokratischen Monster zu reagieren. Eine vernünftige Vergütung für die Vermittler ist erforderlich, weil eine vernünftige Beratung auch entsprechend bezahlt werden muss. Die Herren, wir danken für die interessante Diskussion! ANDREA MARTENS, JENS BREDENBALS FP VITA: Axel Kleinlein Axel Kleinlein, Jahrgang 1969, studierte Mathematik und Philoso- phie an der Universität Köln und an der Freien Universität Berlin. Sein Studium schloss er als Diplom-Mathematiker ab. Von 1998 bis 1999 arbeitete Kleinlein im Aktuariat der Allianz Lebensver- sicherung in Stuttgart. Bevor er 2011 zum Bund der Versicherten (BdV) in Hamburg stieß, war er unter anderem als Projektleiter bei der Stiftung Warentest tätig sowie bei der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur beschäftigt. Mit einer kurzen Unter- brechung ist Kleinlein seit 2011 Vorstandssprecher des BdV. » Einzig die reine Solvenzquote bietet eine Vergleich- barkeit über alle Versicherer hinweg. « Axel Kleinlein, Bund der Versicherten FONDS & VERSICHERUNG Streitgespräch | Axel Kleinlein, BdV | Herbert Schneidemann, Die Bayerische 254 fondsprofessionell.de 1/2021 STREIT GESPRÄCH FOTO: © JOST FINK , DIE BAYERISCHE
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