FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2021

Umständen Provisionsrückforderungen ins Haus stehen, wenn er den Vertriebsvertrag mit Produktgebern oder der Vertriebsorga- nisation, der er angehört, erheblich verletzt. „Wenn der Vermittler beispielsweise gegen- über einem Kunden eigenmächtig nicht korrekte Angaben zu einem Produkt macht, die von den vom Produktgeber zur Verfügung gestellten Informationen erheb- lich abweichen, so kann der Partner des Vertriebsvertrags die Provisionen zurückfor- dern“, sagt Rechtsanwalt Daniel Blazek von der Kanzlei BEMK Rechtsanwälte aus Bie- lefeld. Zwar, so der Jurist weiter, würden dann auf alle Beteiligten auch Schadener- satzansprüche zukommen. Allerdings wür- den die Vertriebspartner im Zuge eines Regresses die Provisionen zurückfordern. Ein anderer Verstoß gegen den Vertriebs- vertrag ist etwa das Abwerben von Kunden während oder nach der Geschäftsbezie- hung. Vermittleranwälte führen aus diesem Grund öfters juristische Auseinanderset- zungen für Mandaten gegen Vertriebe oder gegen Versicherungen (siehe auch FONDS professionell 4/2020, Seite 414). Scheingeschäft Ein anderer Grund, warum Versiche- rungs- oder Fondsgesellschaften von ge- bundenen wie freien Vermittlern Provisio- nen zurückfordern, sind Scheingeschäfte, die sie in betrügerischer Absicht einge- reicht haben. In diesen Fällen liegt es auf der Hand, dass der Provisionsanspruch zu Unrecht erworben wurde. Schließlich können extrem überhöhte Provisionen problematisch sein. „Wann eine Provision sittenwidrig überhöht und damit nichtig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten“, so Mertens. „Der Bundes- gerichtshof hat hierzu keine klare Grenze entwickelt. Pauschal kann man lediglich festhalten, dass eine Provision, die die übli- che Zuwendung für vergleichbare Leistun- gen um das Mehrfache übersteigt, nichtig sein könnte. Sollte dies der Fall sein, könn- te allerdings nur der Kunde und nicht der Produktgeber die sittenwidrig überhöhte Provision zurückfordern.“ Insolvenz Soweit sind die Konstellationen, in de- nen Vermittler ihre Zuwendungen zurück- geben müssen, noch für jedermann ver- ständlich. Verzwickt wird es, wenn es bei einer Kapitalanlage zu einer Insolvenz kommt und der Insolvenzverwalter mögli- che Ansprüche an die Vermittler prüft – die sogenannte Insolvenzanfechtung. Wobei es auch hier eindeutige Fälle gibt: „Wenn ein Vermittler wusste, dass er in ein Schneeballsystem vermittelt, kann der In- solvenzverwalter gezahlte Provisionen nach Paragraf 133 Insolvenzordnung zurückfor- dern“, so Mertens. Betroffen davon sind Zahlungen während der letzten vier Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Üb- rigens: UCITS-Fonds oder Versicherungs- verträge sind von Insolvenzen so gut wie nicht betroffen. Fonds sind als Sonderver- mögen vor einer Insolvenz geschützt, bei Versicherungen greifen gesetzliche Auffang- regeln und -mechanismen. Die rechtliche Ausgangslage für mögli- che Rückforderungen von Provisionen im Fall der Insolvenz einer Kapitalanlage, bei deren Vermittlung ein Berater sich selbst nichts hat zuschulden kommen lassen, ist immer Paragraf 134 Absatz 1 der Insolvenz- ordnung. Dieser besagt, dass eine Leistung wie eine Provision anfechtbar ist, wenn sie ohne Rechtsgrund erfolgte und der Pro- duktgeber von dieser „Rechtsgrundlosig- keit“ wusste. Der Insolvenzverwalter kann dann ab dem Zeitpunkt der Insolvenz die Zuwendungen für die zurückliegenden vier Jahre zurückverlangen.Dafür hat er bis zu drei Jahre Zeit. Wenn aber ein Rechts- grund wie ein vertraglicher oder gesetzli- cher Anspruch auf Zuwendungen existiert, bleibt der Insolvenzverwalter außen vor – und die Provisionen sind sicher. Das dürfte beim weitaus größten Teil der Insolvenzen der Fall sein. Ponzi-System „Ein besonderer Komplex ist derjenige der Scheingewinne, die Produktgeber an- geblich erwirtschaftet haben“, führt Anwalt Blazek unter Verweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 1.Oktober vergangenen Jahres (Az. IX ZR 247/19) wei- ter aus. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist der Edelmetallhändler PIMGold: Zwei Verant- wortlichen des Unternehmens wird derzeit vor dem Landgericht Darmstadt der Pro- zess gemacht, weil die Staatsanwaltschaft ihnen vorwirft, ein Schneeball- oder besser Ponzi-System rund um einen „Gold-Recy- clingkreislauf“ betrieben zu haben. „Wenn beispielsweise ein Anlagevertrag dem Kun- den einen Anspruch auf eine Gewinnbetei- ligung gewährt, in Wahrheit aber nur Scheingewinne vom Emittenten erwirt- schaftet worden sind, entfällt dieser vertrag- liche Anspruch auf einen Teil der Gewin- ne“, so Blazek. Mit anderen Worten: keine » Ein besonderer Komplex ist derjenige der Scheingewinne, die Produktgeber angeblich erwirtschaftet haben. « Daniel Blazek, BEMK Rechtsanwälte fondsprofessionell.de 1/2021 407

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