FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2021

Die Steuersumme ist höher als der Ertrag, der mit dem Verkauf eines Fonds erzielt wurde? Das geht gar nicht, findet Stephan Vyhnalek. Der Steuerberater aus Wilthen betreut die Klage der SdK auf Expertenseite. Steuerregeln vor Gericht Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) strengt eine Musterklage gegen bestimmte negative Folgen der Investment- steuerreform an. FONDS professionell erläutert den Fall. G äbe es ein Buch mit dem Titel „Die skurrilsten Steuer-Storys aller Zeiten“, dann würde diese Geschichte darin sicher einige Seiten füllen: Ein Privatanleger kauf- te zwischen 2015 und 2017 Anteile an einem Aktienfonds für insgesamt 40.000 Euro. Am 31. Dezember 2017 – also einen Tag, bevor das Investmentsteuerreform- gesetz in Kraft trat – belief sich deren Wert auf 48.000 Euro. Doch weil der Fonds spä- ter immer weiter absackte, verkaufte der Anleger seine Anteile Ende September 2020 für 40.500 Euro. Auf den mageren wirtschaftlichen Gewinn von 500 Euro musste er dann Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag von sage und schreibe 726 Euro zahlen. „Frei erfunden“, würde sich so mancher Steuerberater beim Lesen dieser Geschichte vermutlich denken. Aber nein, die Hand- lung ist echt. Ausgelöst wurde die abenteu- erliche Zahlung durch den Systemwechsel in der Fondsbesteuerung, den der deutsche Gesetzgeber mit dem Investmentsteuer- reformgesetz vollzogen hat.Daher rebelliert die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) aus München, zu deren Mitgliedern der betroffene Anleger gehört, nun gegen die negativen Folgen bestimmter Regelun- gen dieses Gesetzes. Bis vor den Bundesfinanzhof Im konkreten Fall handelt es sich aus Sicht der Anlegerschützer um eine „verfas- sungswidrige Substanzbesteuerung“. „Es wird nicht nur der erzielte Veräußerungs- gewinn aufgezehrt, sondern auch das Ver- mögen des Anlegers angegriffen“, sagt Daniel Bauer,Vorstandsvorsitzender der SdK. Weil nach dem Börseneinbruch vom Früh- jahr 2020 viele Privatanleger in ähnlicher Weise betroffen sein könnten, strengt die SdK eine Musterklage an und will, sofern nötig, vor den Bundesfinanzhof (BFH) zie- hen, um ein Grundsatzurteil zu erwirken. Dabei gibt es allerdings zwei Probleme: Sollten die Anlegerschützer mit ihrer Klage Erfolg haben, würden zwar die negativen Auswirkungen der entsprechenden Rege- lungen beseitigt, die positiven höchstwahr- scheinlich aber ebenso. Zudem würden quasi „Paralleluniversen“ in der Fonds- besteuerung entstehen. Um nachzuvollziehen, wie es in dem vorliegenden Fall zu der abenteuerlichen Besteuerung kommt, ist es gut, sich einige Aspekte der Investmentsteuerreform in Erinnerung zu rufen. Seit dem Inkrafttre- ten des Regelwerks führen deutsche Publi- kumsfonds auf bestimmte im Inland erziel- te Erträge 15 Prozent Steuern aus dem Fondsvermögen ab. Als Ausgleich dafür erhalten Anleger steuerliche Teilfreistellun- gen, bei Aktienfonds sind es 30 Prozent. Auf der anderen Seite werden mit Aktien- fonds erzielte Verluste auch nur zu 70 Pro- zent steuerlich berücksichtigt (siehe Kasten nächste Seite). Um den Wechsel vom alten zum neuen System zu bewerkstelligen, wurden zum Jahreswechsel 2017/2018 bundesweit sämt- liche Fondsanteile fiktiv verkauft und zu- rückgekauft (siehe Kasten Seite 412). Dabei erzielte Veräußerungsgewinne sind erst zu versteuern, wenn der Anleger seine Anteile tatsächlich verkauft.Wichtig zu wissen: Da diese Gewinne im alten Steuersystem er- zielt worden sind, das keine Teilfreistellun- STEUER & RECHT Investmentsteuer FOTO: © PAUL GLASER, S&V STEUREN UND VERMÖGEN 410 fondsprofessionell.de 1/2021

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