FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2021

das Finanzamt aber in voller Höhe ange- rechnet. Auf den wirtschaftlichen Gewinn in Höhe von 500 Euro wäre damit kein Cent an Steuern angefallen – gut für den Anleger, aber ebenfalls skurril. Im Fall eines positiven Urteils für die SdK würde eine solche Rechnung wohl nicht mehr aufgehen, räumt Vyhnalek ein. Wenn Verluste aus einer tatsächlichen Ver- äußerung zu 100 Prozent gegen Gewinne aus dem fiktiven Verkauf gerechnet werden dürften, würden die Richter auch den Umkehrschluss ziehen. Dann würden Verlusten aus dem fiktiven Verkauf auch tatsächlich erzielte Veräußerungsgewinne in voller Höhe gegenüberstehen. „Da zum 31. Dezember 2017 sämtliche Börsenindi- zes sehr hoch standen, dürften von dieser Konstellation aber nur sehr wenige Fonds- anleger betroffen sein“, sagt Vyhnalek. Parallele Steuersysteme Das mag zwar stimmen. „Dennoch wür- den aber zwei parallele Steuersysteme ent- stehen, die abhängig vom tatsächlichen Kaufdatum der Fondsanteile anzuwenden wären und einem Ziel des Gesetzgebers bei der Reform, die Besteuerung zu verein- fachen, entgegenstehen“, sagt Holger Sedl- maier, Leiter Steuern und Altersvorsorge beim deutschen Fondsverband BVI. So ist es in der Tat: Wenn ein Privatanleger Fondsanteile vor 2018 erworben hat, wür- de die steuerliche Teilfreistellung nicht gel- ten. Hat er die Anteile jedoch nach 2017 gekauft, dann würde die Teilfreistellung hingegen greifen. „Das würde die Systematik der Teilfrei- stellungen konterkarieren“, sagt Sedlmaier. „Der Gesetzgeber hat als zwangsläufige Fol- ge des Systemwechsels Ende 2017 einen klaren Schnitt gemacht. Dabei können im Einzelfall negative Ergebnisse entstehen“, er- klärt der Experte. Klar sei aber, dass die Teil- freistellung ab 2018 steuerpflichtige Gewin- ne, aber eben auch abzugsfähige Verluste mindert. Daran sei nicht zu rütteln. Achtung, Steuerbescheide! Noch bevor die Frage entschieden wird, kann die SdK-Musterklage Fondsanlegern zumindest einen Pluspunkt bringen: „So- bald die Klage vor dem Bundesfinanzhof anhängig ist, ist es möglich, dass Finanz- ämter die Steuerbescheide von Anlegern in ähnlich gelagerten Fällen offenhalten, bis ein Urteil ergeht“, erklärt Oliver Schultze, Inhaber der Steuerberatungsgesellschaft S&V Steuern und Vermögen aus Pinne- berg. Sollte die SdK-Klage später Erfolg ha- ben, würden Fondsanleger zu viel gezahlte Steuern zurückerstattet bekommen. Wer von den aktuellen Regelungen steuerlich bisher profitiert hat, braucht sich keine Sorgen zu machen. „Denn Änderun- gen von Gesetzesvorschriften dürfen rück- wirkend nie zu negativen Effekten führen“, weiß Schultze. Das ist logisch – und gar nicht skurril. ANDREA MARTENS FP » Der Gesetzgeber hat Ende 2017 einen klaren Schnitt gemacht. Dabei können im Einzelfall negative Ergebnisse entstehen. « Holger Sedlmaier, BVI Nach dem Systemwechsel: So werden Gewinne und Verluste behandelt Fiktiver Verkauf und Kauf: Um den Übergang vom alten ins neue Steuersystem zu bewerkstelligen, haben die Depotbanken bundesweit alle Fondsanteile am 31. Dezember 2017 fiktiv verkauft und am 1. Ja- nuar 2018 fiktiv wieder angeschafft. Ein etwaiger fiktiver Veräußerungs- gewinn blieb zunächst steuerfrei. Der neue Anschaffungswert wurde für die Ermittlung eines künftigen – dann eventuell steuerpflichtigen – Veräußerungsgewinns im System hinterlegt. Auch fiktive Verluste wur- den vermerkt. Alt-Anteile: Das Investmentsteuer- gesetz definiert sämtliche Fonds- anteile, die vor dem 1. Januar 2018 erworben wurden, als Alt-Anteile. Solche, die Anleger schon vor dem 1. Januar 2009 gekauft hatten, wer- den als „ehemals bestandsgeschütz- te Alt-Anteile“ bezeichnet und neh- men eine Sonderstellung ein. Für Fondsanteile, die nach dem 1. Januar 2009 und vor dem 1. Januar 2018 gekauft wurden, gilt: Beim fiktiven Verkauf erzielte Gewinne sind zum Zeitpunkt der tatsächlichen Veräu- ßerung in voller Höhe zu versteuern. Für Kursgewinne, die nach dem 1. Januar 2018 realisiert werden, gilt die der Fondsart entsprechende steuerliche Teilfreistellung. Bei Verlusten wie bei Gewinnen: Ebenso wie für Veräußerungsgewin- ne, die Anleger mit Fondsanteilen nach dem 1. Januar 2018 erzielen, gelten die Teilfreistellungen auch für nach diesem Datum realisierte Kurs- verluste. Dies trifft auch auf alle Alt- Anteile zu. So erkennt das Finanzamt etwa Verluste aus der Veräußerung eines Aktienfonds nicht mehr zu 100, sondern nur noch zu 70 Prozent an. Hat der fiktive Verkauf zu Verlusten geführt, so dürfen diese bei Fonds- anteilen, die nach dem 1. Januar 2009 erworben wurden, voll verrech- net werden. STEUER & RECHT Investmentsteuer 412 fondsprofessionell.de 1/2021 FOTO: © BVI

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