FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2021
nehmen, aber auch die Wirtschaftsprüfer und die Bafin müssen schleunigst abschlie- ßende Ergebnisse liefern, damit der Kapi- talmarkt das Vertrauen in die Gesellschaft zurückerlangt. Glow: Waren Sie denn bei Wirecard enga- giert? Rathausky: Wir waren nie investiert. Wir konnten das Geschäftsmodell und seine vermeintliche Rentabilität nie nachvollzie- hen. Vor zwei Jahren war ich in Dubai und habe in einem Büroturm geklingelt, in dem sich nach meinen Recherchen 200 Mitarbeiter von Wirecard befinden sollten. Auf der entsprechenden Etage habe ich aber niemanden angetroffen. Daher hat es mich nicht überrascht, dass es bei Wirecard nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Die Tragweite habe ich mir allerdings nicht ausmalen können. Glow: Von welchen Unternehmen lassen Sie denn prinzipiell die Finger? Rathausky: Von allen Unternehmen, deren Geschäftsmodell wir nicht verstehen.Meis- tens gelingt uns das auch. Selektive Igno- ranz ist eine wichtige Eigenschaft, die man als Fondsmanager benötigt. Wir verstehen eine Aktie als eine Art Eigenkapitalanleihe, um so potenzielle Zahlungsströme in der Zukunft besser abschätzen zu können. Letztere hängen nicht nur von der opera- tiven Ertragskraft des Geschäftsmodells ab, sondern auch von der Fähigkeit des Managements, Kapital zu allokieren. Ein Management steht im Grunde immer wieder vor der Entscheidung, freie Gelder ins eigene Unternehmen zu reinvestieren, Übernahmen zu tätigen oder das Kapital über Dividenden oder Aktienrückkäufe an die Aktionäre auszukehren. Jeder dieser möglichen Bausteine kann vor dem Hin- tergrund der internen Verzinsung sehr klug, aber auch sehr dumm gewählt werden. Wenn es uns gelingt, die Kapital- allokation des Managements so gut es geht richtig zu beurteilen und vorherzusehen, dann sind wir auch in der Lage, Zahlungs- ströme in der Zukunft einigermaßen kor- rekt abzuschätzen. Glow: Und bei welchen Unternehmen gelingt Ihnen das nicht? Rathausky: Es gibt viele Unternehmen und Branchen, bei denen wir solche Zahlungs- ströme nicht aufbauen können. Zum Bei- spiel ist es für uns extrem schwer zu pro- gnostizieren, wie viel eine Bank in drei, fünf, oder sieben Jahren verdienen wird. Deshalb können wir die entsprechenden Aktien relativ schnell für uns ausklam- mern. Das gilt in ähnlicher Weise für Flug- gesellschaften, die in den vergangenen Jahr- zehnten in Summe keinen Euro verdient haben. Solche Unternehmen taugen für uns nicht als langfristige Gewinnerunter- nehmen und damit auch nicht als lang- fristige Investments. Heuser: Wie entscheiden Sie denn, ob Sie die Aktie eines Unternehmens kaufen oder ob nicht eher die jeweilige Unternehmens- anleihe attraktiver wäre? Rathausky: Wir schauen uns immer sowohl die Eigenkapital- als auch die Fremdkapital- seite an. Üblicherweise ist die Eigenkapital- seite interessanter, wenn das Unternehmen eine sehr günstige Refinanzierung auf sei- ner Fremdkapitalseite aufweist.Wenn zum Beispiel eine Berkshire Hathaway in der Lage ist, eine Anleihe in britischen Pfund mit 40 Jahren Laufzeit und einemCoupon von 2,6 Prozent zu begeben, dann ist das ein Anzeichen für eine solide Bilanz und ein gutes Geschäftsmodell. Das weckt folg- lich unser Interesse für die Aktie, nicht aber für die Anleihe des Unternehmens. Der Fall könnte aber auch umgekehrt gelagert sein, wobei derzeit natürlich vieles durch die ultraexpansive Geldpolitik und die schier unerschöpfliche Refinanzierungs- möglichkeit für Unternehmen verzerrt ist. » Wir schauen uns immer sowohl die Eigen- kapital- als auch die Fremdkapitalseite eines Unternehmens an. « Uwe Rathausky, Gané MARKT & STRATEGIE Fondsmanager im Kreuzverhör | Uwe Rathausky | Gané 92 fondsprofessionell.de 1/2021 KREUZ VERHÖR FOTO: © ANDREAS GEBERT
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