FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2021

ergibt für einen nachhaltig orientierten Anleger schlicht keinen Sinn, sich an schlechten Unternehmen zu beteiligen.“ Lautes Trommeln Es lässt sich allerdings auch anders argu- mentieren: Investoren, die komplett aus „schmutzigen“ Branchen aussteigen, kön- nen auf die Strategie dieser Unternehmen überhaupt keinen Einfluss mehr nehmen. Aviva Investors zum Beispiel hält Engage- ment für den „effektiveren Mechanismus, um positive Veränderungen und Ergebnis- se für unsere Kunden und die Gesellschaft zu erzielen“, wie Mirza Baig, Leiter ESG Research und Stewardship bei dem briti- schen Vermögensverwalter, erläutert. Die Drohung eines Divestments bleibt allerdings im Raum: „Damit unser Engagement- Ansatz Wirkung zeigt, muss er von einem robusten Eskalationsprozess begleitet wer- den, der auch die ultimative Sanktion einer Veräußerung beinhaltet“, so Baig. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Wissenschaftler von Scientific Beta, einer Ausgründung der Edhec Business School. In einer vor einem Jahr veröffentlichten Studie argumentieren sie, dass sich Divest- ments und Engagements gegenseitig ver- stärken. Ihre These: Der Dialog mit dem Unternehmen bringt nur etwas, wenn die Investoren ankündigen, die Reißleine zu ziehen, sollte sich nichts ändern. Umge- kehrt hat ein Verkauf mehr Gewicht, wenn er nicht still und heimlich passiert, sondern von lautem Trommeln begleitet wird. Wahrscheinlich lässt sich mit der nach- haltigen Geldanlage tatsächlich nur dann etwas bewegen, wenn man mehrere Hebel gleichzeitig in Gang setzt, ganz nach dem Motto „Viel hilft viel“. BERND MIKOSCH FP Initiativen abseits des Mainstreams Die meisten Engagement-Vorhaben zie- len aktuell wohl auf den Klimaschutz ab. Es gibt aber auch Beispiele für Initiati- ven, die auf völlig andere ESG-Aspekte abstellen. Zwei aktuelle Beispiele. 1. Gesichtserkennung: Der Asset Manager Candriam hat Ende März ein Engagement-Projekt gestartet mit dem Ziel, die Risiken der Technolo- gie zur Gesichtserkennung aufzuzeigen und Mel- depflichten für Unternehmen zu erwirken. Andere Investoren können sich der Initiative anschließen, die auf zwei Jahre ausgelegt ist und von den Ver- einten Nationen (UN-PRI) unterstützt wird. Hintergrund: „Die schnelle Akzeptanz der Ge- sichtserkennungstechnologie und die wachsende Anzahl von Überwachungskameras im Alltag ver- leihen den Behörden und Unternehmen unkon- trollierbare Möglichkeiten, die Gesell- schaft zu überwachen“, erläutert Candriam-Analyst Benjamin Chekroun. „Da die Gesetzgebung hinterherhinkt, bestehen reale Risiken für die Men- schenrechte.“ Daher sei es nötig, im konstruktiven Dialog mit den Unternehmen über die Wahrung der Privatsphäre und der Freiheitsrechte zu diskutieren. 2. Diversität: Calvert, eine Tochtergesellschaft des US-Asset-Managers Eaton Vance, hat 100 der größten Portfoliounternehmen aufgefordert, ihre sogenannten EEO-1-Berichte zu veröffentlichen, die sie bislang nur der Regierung in Washington vorlegen müssen. Die Abkürzung steht für „Equal Employment Opportunity“. In den Berichten legen US-Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern Details über ihre Belegschaft offen, aufgeschlüs- selt nach ethnischen Kategorien und Geschlecht auf verschiedenen Hierarchieebenen. Hintergrund: Studien deuten darauf hin, dass „Diversity“, also Vielfalt in der Belegschaft, einen wesentlichen Einfluss auf die Per- formance eines Unternehmens hat. „Uns als Investoren fehlen jedoch oft die Informationen, die wir benötigen, um die Leistung von Unternehmen in Bezug auf Vielfalt als wesentliches Thema für unsere Investitions- entscheidungen zu bewerten“, sagt John Wilson, Engagement-Chef bei Calvert. Die Offenlegung ohnehin vorhandener Informationen könnte hier Abhilfe schaffen. Interview mit Hans-Christoph Hirt: QR-Code oder fponline.de/EOS221 Michael Baldinger, UBS Asset Management: „Stewardship ist ein wichtiges Mittel, um positive Ergebnisse für unsere Kunden zu erzielen.“ Hans Stoter, Axa IM: „Der Dialog mit Unternehmen ermöglicht Veränderungen, die der Gesellschaft und natürlich unseren Kunden zugutekommen.“ MARKT & STRATEGIE ESG-Engagement 120 fondsprofessionell.de 2/2021 FOTO: © UBS ASSET MANAGEMENT, AXA IM | BENJAMIN BOCCAS

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