FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2021

„Der Kunde muss die App tatsächlich nicht nehmen. Andererseits ist heutzutage vieles automatisiert, und die App ist sicher ein Mittel, um eine Versicherung zu vermit- teln. Es ist die gleiche Situation wie bei einem Gemüsehändler: Der Kunde kann die angebotene Papiertüte nehmen, er kann aber auch seinen Einkaufsbeutel mit- bringen.“ Seiner Meinung nach spricht da- her vieles dafür, dass die Bereitstellung einer solchen App eine Nebenleistung ist und auch von der Umsatzsteuer befreit wäre. In Zweifelsfällen hilft daher nur, das zu- ständige Finanzamt um eine verbindliche Auskunft zu bitten. Das gilt ferner, wenn man verschiedene Leistungen zu einem Paket zusammenschnürt und unklar ist, was die Kern- und was die Nebenleistung ist (siehe Kasten vorige Seite). Umsetzung im Alltag Wie auch immer die (steuer)rechtlichen Voraussetzungen sind: Im Alltag emp ehlt es sich, Umsätze aus Vermittlungen und Umsätze aus anderen Dienstleistungen strikt getrennt zu verbuchen: „Wir arbeiten mit dem Konzept einer ‚Firma in der Fir- ma‘: Die Vermittlungen gehören zur einen Firma, Serviceleistungen zur anderen“, berichtet Ralf Hüber, Makler aus Schwä- bisch Gmünd. „Auf diese Weise stellen wir sicher, dass die jeweiligen Einnahmen auch korrekt verbucht werden.“ Netter Neben- e ekt: „Wer Einnahmen aus umsatzsteuer- p ichtigen Services generiert, kann für die- sen Anteil einen Vorsteuerabzug geltend machen“, so Hüber. Der Vorsteuerabzug bezeichnet das Recht eines Unternehmers, die von einem Lieferanten in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer mit der selbst ver- einnahmten Umsatzsteuer zu verrechnen. Wenn man die Leistungen und die eige- nen Ausgaben nicht genau zuordnen kann, darf man „quoteln“: Wenn beispielsweise 25 Prozent der Einnahmen besteuert sind, kann der Vermittler einen Vorsteuerabzug in dieser Größenordnung vornehmen. Ziska weist auf einen weiteren Punkt hin: die Umsatzobergrenze von derzeit 22.000 Euro. Laut Paragraf 19 Absatz 3 UStG wird der Gesamtumsatz abzüglich bestimmter steuerfreier Umsätze besteuert. „Zu Letzteren zählen auch die Umsätze aus Versicherungsvermittlungen.Wenn bei- spielsweise ein Makler einen Gesamtum- satz von 200.000 Euro hat und davon 180.000 Euro auf Versicherungscourtagen entfallen, dann sind die übrigen 20.000 Euro umsatzsteuerfrei“, so der Experte. Pro- visionen aus Kapitalanlage- oder Darlehens- vermittlungen werden dagegen nicht vom Gesamtumsatz abgezogen. Möglicherweise sind all diese Regeln bald Geschichte. Der Vermittlerverband AfW hat der EU-Kommission vorgeschla- gen, auch die Beratung zu Finanzproduk- ten von der Umsatzsteuer zu befreien. Das würde die Sache deutlich vereinfachen. Ob sich Brüssel für diese Idee erwärmen kann, ist jedoch fraglich. JENS BREDENBALS FP » Die von den Versiche- rungsgesellschaften gezahlten Bestands- provisionen für die Vertragsbetreuung sind ebenfalls steuerfrei. « Ulf Knorr, Kanzlei Ecovis So viel Umsatzsteuer fällt an 19 oder sieben Prozent? Der deutsche Gesetz- geber hat den Regelsatz für die Umsatzsteuer (umgangssprachlich auch Mehrwertsteuer) auf 19 Prozent festgelegt. Für bestimm- te Produkte und Dienstleistungen gibt es einen ermäßigten Satz von sieben Prozent. Dieser gilt für Lebensmittel, aber auch für Angebo- te, die der Bildung oder dem gesell- schaftlichen Leben dienen. Dazu zählen Bücher, Tickets für den öffentlichen Verkehr und für kulturelle Veranstaltungen. „Der Gesetzgeber versucht so, die Grundversorgung im Land zu garantieren. Jeder soll den Kühlschrank füllen, Bus fahren und Zeitung lesen können“, formuliert es die Stiftung Warentest. Aber Vorsicht, es existieren einige Ausnahmen: Wenn jemand ein Brötchen beim Bäcker kauft, dieses aber vor Ort verspeist, sind sieben statt 19 Prozent fällig. Denn dann handelt es sich nicht um einen Verkauf eines Lebensmittels, sondern um eine Dienstleistung. Logisch sind die Regeln für die Ausnahmen nicht: Wer im Kino Popcorn kauft und dort verspeist, zahlt zum Beispiel nur den ermäßigten Steuersatz. Wer ein Zuchtpferd erwirbt, muss ebenfalls nur sieben Prozent Umsatzsteuer entrichten. Bei Mineralwasser sind dagegen 19 Prozent fällig. Übrigens: Das im Artikel oben behandelte Pro- blem der Trennung von Haupt- und Neben- leistungen betrifft auch Alltags- und Kultur- produkte. „Beim Kauf einer Tafel Schokolade zahlt man nur sieben Prozent Umsatzsteuer, weil die Schokolade die Haupt- und die Verpackung die unwesentliche Nebenleistung ist“, erläutert Daniel Ziska von der Berliner Steuerberatungs- gesellschaft GPC Tax. fondsprofessionell.de 3/2021 399

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