FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 3/2021

Das bedeutet zusätzlichen Aufwand, lässt sich aber bewerkstelligen. Doch Waigel sieht ein anderes Problem. „Anlageberater und Vermögensverwalter müssen bei ihren Kunden nicht nur die erweiterten Anga- ben abfragen, sondern ihnen natürlich auch geeignete Finanzinstrumente zur Ver- fügung stellen“, sagt er. Entsprechende Pro- dukte hätten viele Anbieter aber noch gar nicht in ihrer Palette. Und diese Lücken zu füllen wird gar nicht so einfach sein. „Eine Zeit lang hatte die Branche ge- ho t, dass jede Bank und jeder Vermögens- verwalter selbst de nieren darf, was unter sozialen, Umwelt- und Governance-Krite- rien zu verstehen ist, und diese Begri e dann mit dem Kunden abstimmt“, sagt Waigel. Diese Ho nung ist aber zunichte gemacht worden. Der Grund: Die neuen Produktkategorien und Vorschriften sind eng an die Taxonomie- und die O enle- gungsverordnung gebunden. Daher wird es nicht möglich sein, den Kunden bei- spielsweise zu fragen, wie wichtig ihm so- ziale Gerechtigkeit ist, und ihm dann einen Fonds zu empfehlen, der passend erscheint. „Künftig muss ein solches Produkt immer Artikel 2 Nummer 17 der O enlegungs- verordnung entsprechen“, erläutert Waigel. Neue Interessenkonflikte Und der P ichtenkatalog ist noch deut- lich länger. In Zukunft haben Finanzpro s bei der Feststellung von Interessenkon ik- ten nicht nur die Interessen ihrer Kunden, sondern auch ihre Nachhaltigkeitspräferen- zen einzubeziehen. An dieser Stelle kann selbst Jurist Waigel den der Text der Dele- gierten Verordnung nur interpretieren. „Jede Bank wird sicherlich Anlagekun- den haben, denen es in erster Linie auf die Rendite ankommt, und andere, für die Nachhaltigkeit wichtiger ist“, sagt er. Hat das Institut zum Beispiel einen Fonds mit Braunkohletiteln im Angebot, die gut lau- fen, ergibt sich ein Interessenkon ikt: Für die Anleger, die vor allem auf Rendite setzen, wäre es wichtig, diesen Fonds zu halten. Für diejenigen, denen es stark auf ESG ankommt, wäre es richtig, ihn zu ver- kaufen. „Das ist ein Interessenkon ikt, der gemanagt werden muss“, so Waigel. In der Kundenanalyse, imWpHG-Bogen also, sind zudem die Anlageziele zu erwei- tern. Kunden müssen künftig auch zu „jeg- lichen“ Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden. Gemeint ist, dass ein Finanzpro seine Klientel nicht allein auf die ESG-Pro- dukte lenken darf, die sein Institut anbietet. Steht etwa ein Mikro nanzfonds zur Verfügung, so darf er darauf hinweisen. Zu- sätzlich muss er den Kunden aber fragen, ob er außer sozialer Gerechtigkeit noch andere Bereiche als nachhaltig einstuft und diese in seinem Investment berücksichtigen möchte. „Die Frage ist nur, wo der Berater da anfangen und wo er aufhören soll“, sagt Waigel. Schließlich gibt es keine Liste mit Präferenzen, die er abhaken könnte. Für die Geeignetheitsprüfung gilt ab dem 2. August kommenden Jahres: Stimmt ein Finanzprodukt nicht mit den ermittelten Nachhaltigkeitspräferenzen überein, darf ein Anlageberater oder Vermögensverwalter keine entsprechende Empfehlung aussprechen oder eine Han- delsentscheidung vornehmen. Sollte der Kunde im Nachhinein seine Nachhaltig- keitspräferenzen anpassen, etwa weil kein empfohlener Fonds seinem Verständnis von ESG vollständig entspricht, müssen diese Kundenentscheidung und die Be- gründung dafür aufgezeichnet werden. Nicht nur für Neukunden Die neuen Regelungen gelten nicht nur für das Neukundengeschäft. Auch Kunden, die bereits betreut werden, müssen den Nachhaltigkeitsprozess durchlaufen. Bei Bestandskunden, bei denen bereits eine Geeignetheitsprüfung vorgenommen wur- de, dürften Banken und Wertpapier rmen aber die Möglichkeit haben, die individu- ellen Nachhaltigkeitspräferenzen erst bei der nächsten Aktualisierung der Eignungs- beurteilung in Erfahrung zu bringen. Und nicht zuletzt: Auch Versicherungs- unternehmen und der Versicherungsver- trieb haben bei der Ermittlung von Inter- essenkon ikten in Zukunft Nachhaltig- keitspräferenzen einzubeziehen. Bei der Eignungs- und Angemessenheitsbeurtei- lung sollen sie ebenfalls ab dem 2. August 2022 ESG-Präferenzen berücksichtigen. Vermittler noch nicht dabei Finanzanlagenvermittler und Honorar- Finanzanlagenberater sind von den zusätz- lichen P ichten noch nicht betro en. „Es ist aber anzunehmen, dass die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz früher oder später auch in die Finanzanlagenvermittlungsver- ordnung aufgenommen wird“, sagt Waigel, „alles andere wäre auch nicht sinnvoll.“ Doch vielleicht entwickeln sich die Dinge in diesem Punkt ja nicht ganz so schnell. ANDREA MARTENS FP » Es ist anzunehmen, dass die Abfrage der Nachhaltigkeits- präferenz auch in die Finanzanlagenver- mittlungsverordnung aufgenommen wird. « Christian Waigel, Waigel Rechtsanwälte STEUER & RECHT Nachhaltigkeitspräferenz 402 fondsprofessionell.de 3/2021 FOTO: © WAIGEL RECHTSANWÄLTE

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