FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2021
F achkräfte in Zukunftsbranchen sind gefragt: 100.000 Dollar Jahreslohn, viel Freizeit und 50.000 Dollar Willkommensbonus bei Unter- schrift. Das ist gemäß „Wall Street Journal“ das aktuelle Angebot – nicht für Software-Entwickler im Silicon Valley, sondern für Lastwagenfahrer in Westaustralien. Inzwischen lassen sich sogar schon Piloten der nationalen Airline Quantas zum Truck Driver umschulen. Zugegeben, die Situation in Westaustralien ist extrem: Wegen rigider Lockdown-Regeln dürfen die Unternehmen nicht einmal über die Provinz- grenze in Sydney neue Lastwagenfahrer anwer- ben, geschweige denn im Ausland. Darum ist der große Kampf um die Talente am Steuer ent- brannt. Doch in Europa sieht es nicht viel besser aus: In Großbritannien fehlen derzeit 100.000 Last- wagenfahrer. Nach dem Brexit haben viele Aus- länder das Land verlassen. Angesichts der aku- ten Versorgungsknappheit versuchte die John- son-Regierung notfallmäßig mit 5.000 Spezial- Visa ein paar Brummi-Fahrer ins Land zu holen. Bis zum 5. Oktober haben sich gerade mal 127 Personen gemeldet. Das Problem wird nicht so bald verschwinden: Wie die „Financial Times“ berichtet, ist die Hälf- te aller aktiven britischen Lastwagenfahrer über 55 Jahre alt. Jedes Jahr gehen mehr von ihnen in Pension als neu einsteigen. Truck Driver ist kein Traumberuf für die Jungen: Lieber macht man etwas mit Social Media, Umwelt oder Soft- ware. Genau dort liegt der Kern des Problems: nicht nur bei der Berufswahl, sondern auch bei der Kapitalallokation an den Finanzmärkten. Die letzten Jahre ist viel zu viel Geld in den Tech- Sektor und teils absurdeste Start-ups geflos- sen. Andere Sektoren, die fundamentalere Grundbedürfnisse abdecken, wurden vernach- lässigt – oder wie im Fall der fossilen Energien sogar aktiv desinvestiert und von Kapital abge- schnitten. Das geht bis hin zu Banken, die auf Druck „nachhaltiger Investoren“ begonnen ha- ben, neue Kredite für Kohleminen oder Gas- quellen zu verweigern. Nun haben wir in Europa die schlimmste Ener- giekrise und die höchsten Inflationsraten seit den 1970er-Jahren, und der Winter hat noch kaum begonnen: Es fehlt an Erdgas, Kohle, Strom, Holz, Stahl und Frachtcontainern. Und es fehlt auch an Lastwagenfahrern, Handwerkern und Seeleuten – Zehntausenden Matrosen aus armen Schwellenländern wurde während der Corona-Lockdowns über Monate der Landgang verweigert. Viele haben verständlicherweise ihrem Beruf den Rücken gekehrt: Soll doch der Weihnachtsmann den Kindern der reichen In- dustrieländer die Geschenke aus China holen. Die Preise für Containerfracht von China in die USA haben sich binnen Jahresfrist verzehnfacht. Die Lage spitzte sich diese Woche noch einmal dramatisch zu: Der Erdgaspreis in Europa schoss Anfang Oktober um 60 Prozent in die Höhe, nachdem er sich zuvor seit Jahresbeginn schon mehr als vervierfacht hatte. Die Wirt- Die Gewinne im Energiesektor fließen wieder – gerade weil versucht wurde, dem Sektor den Kapitalfluss abzudrehen. Die Rache der Old Economy Zu viele Kapitalflüsse führen zu Überkapazitäten und schlechten Anlagerenditen in der Zukunft. Populäre Zukunftstechnologien sind deshalb oft ein schlechtes Investment. Kapitalknappheit dagegen erhöht die Renditen der überlebenden Akteure. Dies zeigt der aktuelle Höhenflug der Vertreter der „Old Economy“. QUANTEX GLOBAL VALUE FUND
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