FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 4/2021
es eine Lösung für diese Krise geben wird und dass die Regierungen imGroßen und Ganzen gut reagiert haben. Da fragten sich einige, warum sie nicht jetzt einsteigen soll- ten. Hinzu kommt das schon erwähnte Phänomen, dass sich die Leute plötzlich mit der Geldanlage beschäftigt haben. Auch im ersten Lockdown, als die meisten Filialen geschlossen waren, hatten unsere Anlageberater sehr gut zu tun, weil die Nachfrage nach telefonischer Beratung sehr groß war.Das konnte ich auch in mei- nem persönlichen Umfeld feststellen: Von Freunden und Bekannten kamen viel mehr Fragen zu Finanzthemen als früher. Das Wertpapiergeschäft läuft zwar super, aber auch das Einlagenvolumen steigt branchenweit – trotz Strafzinsen, die mitt- lerweile fast jede Bank ab einer bestimm- ten Summe verlangt. Wie sieht es bei der Commerzbank aus? Unser Anspruch ist es, nicht einfach ein Verwahrentgelt zu kassieren, sondern wir reden mit den Kunden, dass ihr Geld bei einem langfristigen Anlagehorizont viel besser in Wertpapieren aufgehoben ist als auf dem Konto. Das funktioniert auch, unterm Strich steigt das Depotvolumen schneller als das der Einlagen. Ein Verwahr- entgelt ist immer nur der letzte Schritt. Die meisten Sparer, die zu Anlegern wer- den, benötigen eine qualifizierte Beratung. Nun hat die Commerzbank im Juli ange- kündigt, bis Ende nächsten Jahres 340 ihrer zuletzt noch 790 Filialen schließen zu wollen, 240 davon noch in diesem Jahr – verbunden mit einem deutlichen Stellen- abbau. Geht damit nicht auch die Bera- tungskapazität zurück? Mit 450 Standorten werden wir auch künf- tig immer noch deutschlandweit flächen- deckend vertreten sein.Wir haben mal ana- lysiert, wie viele Menschen wir mit unse- rem Filialnetz künftig erreichen werden. Demnach verlieren wir durch die Schlie- ßungen weniger als zehn Prozent an Reich- weite. Wichtig ist auch, dass 220 unserer zukünftigen Standorte sogenannte Pre- mium-Filialen sind, in denen wir auch ver- mögendere Kunden mit weitergehenden Ansprüchen adäquat beraten können. Außerdem ist es ja nicht so, dass wir ein- fach nur schließen. Sondern? Kern unserer Strategie ist es, den Kunden über alle verschiedenen Kanäle hinweg das bestmögliche Angebot zu unterbreiten. Neben den Filialen und den bekannten digitalen Kanälen bauen wir jetzt bundes- weit eine telefonische Beratung über zen- trale Standorte auf. Dass die Telefonbera- tung funktioniert, hat sich während des Lockdowns gezeigt. Für die Kunden bringt das den Vorteil einer verbesserten Erreich- barkeit mit sich. Unser Angebot schrumpft mit den Filialschließungen also nicht, es wird sogar breiter. Der Kunde kann sich entscheiden: Will er eine Beratung vor Ort? Wer einen größeren Betrag anzulegen hat, fährt dafür wahrscheinlich auch in Zukunft in die nächste Stadt, um das in der Filiale zu besprechen. Für Folgetrans- aktionen ist dann vielleicht die telefonische Beratung die erste Wahl. Und wer möchte, kann sein Geld über die digitalen Kanäle natürlich auch ohne Unterstützung selbst investieren. Im Oktober gingen drei Beratungszentren an den Start. Ist das eine Art Pilotprojekt, um zu sehen, ob das Modell ankommt? Nein, wir sprechen von einer ersten Aus- baustufe. Weitere Standorte folgen im nächsten Jahr, was auch zeitlich auf die Filialschließungen abgestimmt ist. „Pilot- projekt“ klingt nach einem Versuch, den wir schnell wieder beenden könnten. Doch das wird nicht passieren. Und die Kollegen beraten nur telefonisch? Warum keine Videoberatung? Es ist ja schon hilfreich, beispielsweise gemeinsam auf ein Dokument schauen zu können. » Unser Angebot schrumpft mit den Filialschließungen nicht, es wird sogar breiter. « Arno Walter, Commerzbank FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH 362 fondsprofessionell.de 4/2021 BANK & FONDS Arno Walter | Commerzbank
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