FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2022

Zu dick aufgetragen? Immer mehr Verordnungen sollen Investments auf den ESG-Pfad zwingen. Um den Verdacht auf Greenwashing abzuschütteln, muss sich die Branche allerdings einstweilen selbst behelfen. N achhaltigkeit ist längst das neue Para- digma in der Finanzberatung. Lange bevor eine überarbeitete Mifid-II-Richtlinie Finanzberater dazu verpflichten wird, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu erfragen, ist die ESG-konforme Aus- richtung eines Vermögensportfolios bereits Gegenstand so gut wie jedes Beratungs- gesprächs. Das geht so weit, dass Anbieter fürchten, bei der Produktauswahl ins Hin- tertreffen zu geraten, wenn ihre Angebote nicht die Erwartung erfüllen, gut fürs Kli- ma zu sein oder ihm wenigstens nicht zu schaden. Unter dem Druck, den die vor einem Jahr in Kraft getretene EU-Offen- legungsverordnung ausübt, haben sie rei- henweise ihre Produkte neu positioniert. Der Druck, grün zu sein Das Analysehaus Morningstar hat kürz- lich ermittelt, dass seither rund 1.800 Fonds, die schon vorher vertrieben wurden, in eine höhere Nachhaltigkeitsstufe um- klassifiziert wurden, nachdem sie – zum Teil nur geringfügige – Veränderungen vor- genommen haben. Der hohe Erwartungsdruck verführt einige Anbieter dazu, ihre Finanzprodukte grüner aussehen zu lassen, als sie es wirk- lich sind. Allerdings bleibt auch der Vor- wurf des „Greenwashings“ imUngefähren, solange es einstweilen keine klaren und nur einigermaßen unverbindliche Vorga- ben gibt, worin genau ESG-Konformität besteht. Anstatt die Kriterien übersicht- licher und verständlicher zu gestalten, macht die EU genau das Gegenteil: Mit der zu Beginn dieses Jahres novellierten Taxonomie erweitert sie den Reigen nach- haltiger Energielieferanten um Atom- und Gaskraftwerke, sofern die Unternehmen gewisse Voraussetzungen erfüllen. Streit um CO 2 -Rechner Inmitten dieser Gemengelage hat die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im Herbst vergangenen Jahres eine Klage gegen Commerz Real beim Landgericht Stuttgart eingereicht. Neben dem offen Immobilienfonds „Hausinvest“ bietet die Sachwertetochter der Commerzbank auch den als ELTIF organisierten Impact-Fonds „Klimavest“ an. Auf dessen Homepage können sich Interessenten ihren persönlichen Fußab- druck mittels eines CO 2 -Rechners kalkulie- ren lassen.Dafür müssen sie ein paar Anga- ben zu ihren Wohnverhältnissen sowie ihrem Mobilitäts- und Konsumverhalten machen. Eine durchschnittliche Person produziert nach aktuellen Berechnungen des Umweltbundesamtes – an dessen CO 2 - Rechner sich die Programmierer der Com- merz Real orientierten – zurzeit zirka 10,8 Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente pro Jahr. Die Zielinvestitionen des Klimavest, vor allem Anlagen zur Stromerzeugung aus er- neuerbaren Energien, wären in der Lage, so » Um Greenwashing vorzubeugen, müssen umfassende Standards festgelegt werden. « Stefan Maiss, Provita Greenwashing funktioniert wegen des schlechten Umweltgewissens der Verbraucher recht gut. Aber nicht nur deren Skepsis nimmt zu. Sie können einen zu grünen Anstrich auch immer leichter erkennen. SACHWERTE Greenwashing 242 fondsprofessionell.de 1/2022 FOTO: © OLGA | STOCK.ADOBE.COM

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