FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2022
Doch auch wenn ein Paragrafenwechsel nicht in Frage kommt – in der Praxis hat das Unternehmen Aquitus die Umstellung auf Honorarberatung überwiegend vollzo- gen. Für Geschäftsführer Huber war bereits bei der Gründung seiner Firma im Jahr 2011 klar, dass dieses Modell für die Zu- kunft das richtige sein würde. Schwung durch Bachelorarbeit Schließlich arbeiteten die Finanzberater von Aquitus im Grunde schon wie Hono- rarberater, boten ihren Kunden jährlich ei- ne Überprüfung ihrer Finanzpläne und Portfolios an und legten es nicht darauf an, jedes Mal auch gleich noch ein neues Pro- dukt zu verkaufen. Doch erst als der heuti- ger Kollege Tobias Müller seine Bachelorar- beit zum Thema Honorarberatung in Eu- ropa schrieb, kam Schwung in die Sache. In der Arbeit war zu lesen, dass in Däne- mark innerhalb von nur drei Monaten ein Provisionsverbot eingeführt worden war. Da dachte sich Huber: „Wenn sich die Ver- mittler dort in so kurzer Zeit umgestellt haben, dann müssen wir jetzt auch mal ran.“ Nach einer Pilotphase beginnt Aqui- tus 2015 mit dem Wechsel. Alte Kunden überzeugen, neue gleich als Honorarkun- den gewinnen, lautete die Parole. „Das war manchmal frustrierend“, erin- nert sich Huber. Manche Kunden fragten, ob er sie denn früher nicht gut beraten hätte, wenn das neue Modell jetzt so viel besser sei.Huber und seine Kollegen boten den Provisionskunden von Aquitus immer wieder Depot-Checks an, zogen Rendite- vergleiche, zeigten die Unterschiede zwi- schen Provisions- und Honorarmodell auf. So erkannte der eine oder andere im Lauf der Zeit, dass sich die Honorarvariante tat- sächlich lohnen kann. „Wenn man einem Kunden vorrechnen kann, dass er durch die Umstellung auf günstige Nettotarife, auf Einmalhonorar und eine laufende Betreuungspauschale zwischen 15 und 20 Prozent mehr heraus- holen kann, dann zieht das schon“, sagt Huber. Heute betreut Aquitus rund 75 Prozent aller Kunden auf Honorarbasis. Und es sollen mehr werden. Schlechtes Gewissen Das wünscht sich auch Richard Bendl. Als er 2011 seine Finanzberatung Bendl Investment in Erding gründete, war er be- reits seit zehn Jahren in der Branche tätig. Das Provisionsmodell fand er immer völlig in Ordnung. „Aber als ich mich dann 2015 an einem schmerzlichen Wochenende mit den harten Fakten der Finanz- und Versi- cherungsbranche auseinandergesetzt hatte, habe ich mein Geschäftsmodell umge- stellt“, berichtet Bendl. Wer sich einmal klar vor Augen geführt habe, wie vor allem die hohen Verwal- tungskosten von Versicherern und Fonds- gesellschaften die Rendite von Sparern und Anlegern schmälern,müsse einfach zu Net- toprodukten wechseln, findet Bendl. „Sonst hat man ständig ein schlechtes Gewissen“, sagt er. So begann der Berater 2015 mit Bestandskunden über eine Umstellung ihrer Fondsdepots auf günstige ETFs und im Versicherungsbereich auf Nettotarife zu sprechen. Denn bei solchen Produkten fallen die Verwaltungskosten deutlich nie- driger aus als bei aktiv gemanagten Fonds und Bruttopolicen. Neukunden berät Bendl nur noch auf Honorarbasis. Gelungener Modellwechsel Der Modellwechsel sei bei den meisten Bestandskunden auch gut angekommen, berichtet Bendl. Die Zahl derer, die keine Nettotarife wünschten und sich von sei- nem Unternehmen trennten, lag im ein- stelligen Prozentbereich. Nur wenige Kun- den blieben ihren Bruttoversicherungen und aktiv gemanagten Fonds treu. Ist es schwierig, an Provisionen gewöhn- te Kunden von Nettoprodukten, Honora- ren und Service Fees zu überzeugen? Zum Teil, findet Bendl. „Es ist sehr einfach dar- zulegen, dass eine professionelle Auswer- tung der Finanzsituation viele Stunden Ar- beit erfordert und dafür ein angemessenes Honorar verlangt werden muss“, sagt er. Etwas komplizierter sei es mit der Ser- vicegebühr. „In der Bruttowelt sehen Anle- ger und Fondspoliceninhaber Bestandspro- visionen und laufende Courtagen eben nicht“, so Bendl. Wenn sie dann seine Ser- vice Fee in Höhe von einem Prozent trans- parent vor Augen haben, komme schon oft die Frage: „Wofür soll ich das denn zahlen?“ In solchen Fällen muss Bendl genau erläu- tern, dass die Kunden dafür Dienstleistun- gen erhalten, die in Bestandsprovisionen und Courtagen nicht enthalten sind. Was Bendl ärgert, ist die Umsatzsteuer, die Anleger mit ETFs oder Anlageklassen- » Mit Paragraf 34h würde ich mich selbst beschneiden, während ich mit der 34f-Erlaubnis alle Optionen habe. « Richard Bendl, Bendl Investment Unternehmen: ........................... Bendl Investment Ort: .................................................................... Erding Einstieg in die Branche: ................................ 2011 Erlaubnis: ........................................ 34c/d/f/i GewO Betreute Kunden: .................................... zirka 600 Maklerpool: Fondsnet, Netfonds, Fonds Finanz VERTRIEB & PRAXIS Honorarberatung 316 fondsprofessionell.de 1/2022 FOTO: © BENDL INVESTMENT
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