FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2022
grund der tragischen Ereignisse in der Ukraine erleben, verlangt gera- dezu danach, darüber zu sprechen, wie man als Finanzberater mit einer solchen krisenhaften Ent- wicklung umgehen sollte. Wie lau- tet Ihre Empfehlung? Peter Nonner: So seltsam es klingen mag angesichts der humanitären Tragödie, die wir gerade in der Ukraine miterleben, aber ein guter Berater erhält damit die Möglich- keit, seinen besonderen Mehrwert gegenüber seinen Kunden unter Beweis zu stellen. Denn gerade eine solche Situation extremer Un- sicherheit gibt ihm Gelegenheit, seine Kunden möglichst unbescha- det durch dieses schwierige Fahr- wasser zu begleiten. Nämlich in- dem er den Kunden gewissermaßen an die Hand nimmt, um gemeinsammit ihm zu überprüfen, ob die gewählte Depot- und Risikostruktur noch adäquat ist angesichts der neuen Herausforderungen, die sich auf- grund der extrem veränderten Gesamt- situation ergeben. Björn Drescher: Ich würde die Perspektive sogar noch etwas erweitern. Denn es geht ja genauer gesagt um zwei Ebenen. Zum einen gibt es die eher psychologisch-emo- tionale Seite, auf der es gilt, dem Kunden, der verständlicherweise nervös oder besorgt reagiert, bildhaft gesprochen die Hand zu halten und ihn zu beruhigen. Auf der anderen, der eher technischen Seite wirkt eine solche vergleichsweise extreme Situa- tion, wie wir sie gerade erleben, natürlich auch wie eine Art Stresstest für das gewähl- te Portfolio.Weil sich dadurch in der Praxis zeigt, ob die Zusammenstellung der Finanzprodukte, die vermittelt wurden, tatsächlich der ursprünglich damit verbun- denen Erwartungshaltung entspricht, die daran geknüpft ist, ob sie tatsächlich zu der konkreten Marktentwicklung passt oder eben auch nicht. Mit welcher Konsequenz? Drescher: In diesem Stresstest wird sich eben zeigen, ob eine Lösung, die als defensives Investment vermittelt wurde, sich auch als defensiv erweist beziehungsweise ob das Portfolio tatsächlich so resilient ist,wie man es in der Beratung dem Kunden verspro- chen hatte. Und am Ende muss auch das Ergebnis dem Kunden kommuniziert wer- den, der natürlich wissen möchte, ob sein Depot das liefert, was er ursprünglich da- mit erreichen wollte. Matthias Battefeld: Aus meiner Sicht als für das Privatkundengeschäft einer Volksbank verantwortlicher Vorstand kommt sogar noch eine weitere Dimension hin- zu: Viele unserer Beraterinnen und Berater sind noch keine langjährig erfahrenen Profis, die schon eine Reihe unterschiedlicher Krisen an den Kapitalmärkten erlebt hätten, und sind dementsprechend selbst von der Situation in der Ukraine und den möglichen Folgen verun- sichert. Diesen gilt es zunächst den Rücken zu stärken durch Informa- tionen und Vergleiche zu früheren krisenhaften Ereignissen und den daraus erwachsenen Konsequenzen bis hin zu dem Pfad und der Dau- er einer hoffentlich darauf folgen- den Erholung. Denn nur wenn meine Kollegen sich auf dieser Basis möglichst stabil unseren Kun- den präsentieren, werden Letztere ein gutes Gefühl aus dem Gespräch mit- nehmen. Andreas Beys: Der Berater sollte andererseits aber auch nicht überreagieren, indem er versucht, in die Rolle des Portfoliomana- gers zu schlüpfen. Die Nähe zum Kunden zu suchen, ist sicher richtig. Die Zusam- mensetzung des Portfolios sollte er auch weiterhin den Managern der Fonds über- lassen, die er ja nicht ohne Grund für seine Kunden ausgesucht hat. Nonner: Wir sollten zudem eins nicht ver- gessen: Ein Berater hat unter Umständen mehrere hundert Kunden, um die er sich theoretisch gleichzeitig kümmern muss. Daher sollte er vorgesorgt haben, um die technischen Möglichkeiten und Werkzeu- ge zur Hand zu haben, durch die er tat- sächlich handlungsfähig ist in Situationen, in denen es genau darauf ankommt. Handlungsfähig soll heißen? Nonner: Er sollte technologisch nicht nur in der Lage sein, ohne großen Aufwand eine entsprechend große Zahl an Kunden erreichen zu können, sondern auch über » Viele Kunden haben die Kursrückgänge genutzt, um Positionen aufzustocken. « Matthias Battefeld, Hannoversche Volksbank FOTO: © NILS HENDRIK MUELLER fondsprofessionell.de 1/2022 359
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