FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2022
Kalus: Zumal Deutschland mit großem Abstand der am schnells- ten wachsende ETF-Markt in Euro- pa ist. Der Marktanteil der ETFs beträgt inzwischen über 25 Pro- zent, während der europäische Durchschnitt bei gerade einmal elf Prozent liegt. Drescher: Die Debatte müsste jeden- falls dringend versachlicht werden. Dann würde sehr schnell deutlich, dass den Gebührenvorteil von ETFs am Ende allenfalls der Selbst- entscheider einstreicht, der sich sein Depot selbstständig aus verschiede- nen ETFs zusammenstellt, damit aber eben auch bewusst die Ent- scheidung trifft, auf eine Beratung zu verzichten. Wenn aber ein Bera- ter für seinen Kunden im Rahmen eines Advisory-Mandats ein ETF-Portfolio etwa in Form einer Fondsvermögensverwaltung zusammenstellt, dann relativiert sich der vermeintliche Kostenvorteil von ETF-Invest- ments sehr schnell wieder. Denn dann kommt obendrauf eine Service Fee, die der Berater für seine Dienstleistung berechnet. Zudem wird das Ganze umsatzsteuer- pflichtig. Unterm Strich sieht die Rech- nung dann vollkommen anders aus. Denn dann ist das ETF-Portfolio mit einer Ge- samtkostenbelastung für den Anleger in Höhe von vielleicht 1,3 Prozent kaum preiswerter als ein aktiv gemanagter Fonds, bei dem die Beratungsleistung im Prinzip ins Produkt eingerechnet ist und lediglich aus der Verwaltungsvergütung an den Be- rater ausgezahlt wird. Kalus: Daher kann ich Andreas Beys nur zustimmen. Unter der Prämisse, dass für den Kunden am Ende doch eigentlich nur das Gesamtergebnis entscheidend ist, wäre sein Vorschlag durchaus zu begrüßen, den isolierten Ausweis lediglich der Produkt- kosten durch einen kombinierten Kosten- Leistungs-Nachweis zu ersetzen, aus dem dann eben auch alle mit dem Manage- ment und der Beratung zu einem Fonds anfallenden Leistungen für den Kunden ersichtlich werden. Auch hier gilt meiner Ansicht nach, dass die größtmögliche Transparenz dazu führt, dass es zu keinen Missverständnissen zwischen dem Berater und dessen Kunden kommt. Stolz: Das kann ich nur unterstützen, zu- mal es sich mit unseren eigenen Beobach- tungen weitgehend deckt. Wir erleben in unserer Praxis praktisch keine Preissensitivi- tät bei unseren Kunden. Der Schlüssel da- zu liegt meines Erachtens auch hier wieder in der Transparenz, weil es uns nur da- durch gelingt, einem Kunden einerseits den Nutzen des vermittelten Pro- dukts und andererseits auch den Mehrwert unserer Beratung zu ver- deutlichen. Erkennt der Kunde die- sen Mehrwert, dann ist die Preis- elastizität sehr gering, versteht er den Wert nicht, ist sie sehr hoch. Einen entscheidenden Vorteil haben wir natürlich: Anders als etwa bei einem Discountbroker oder einer Neobank sitzen wir dem Kunden in einem persönlichen Gespräch gegenüber. Was nichts anderes be- deutet, als dass ein Teil des Mehr- werts, sprich die Beratungskompo- nente, auf jeden Fall für ihn erleb- bar ist. Ich würde sogar sagen, je näher ein Berater seinem Kunden ist, je stärker der Kunde spürt, da sitzt ihm jemand gegenüber, der sein Anliegen versteht und ernst nimmt, umso geringer ist die Kostensensitivität auf Seiten des Kunden. Daher stimme ich zu, dass die Branche mit guten Argumenten dagegenhalten sollte, wenn es zu einer ver- zerrenden und damit unfairen Medienbe- richterstattung zugunsten von vermeintlich extrem kostengünstigen ETFs kommt. Wie beurteilen Sie denn die unter Beratern nach wie vor zu beobachtende Tendenz, über Advisory-Mandate ihre eigene Fonds- vermögensverwaltung mit ETFs anzubie- ten? Beys: Zu glauben, man könne als IFA mit ein paar zusammengestellten ETFs die Komplexität des Lebens und der Kapital- märkte meistern, ist aus meiner Sicht naiv. Deshalb plädiere ich auch bei dieser Frage dafür, dass ein Berater seine Rolle kennen und nicht versuchen sollte, sich zum Fondsmanager aufzuschwingen.Wir haben in den vergangenen 20 oder 25 Jahren zu oft erlebt, was dabei am Ende heraus- kommt. Ich erinnere nur an Themen wie den Neuen Markt oder auch an die Zeit der ABS-Fonds während der Finanzkrise von 2008. Das sind nur zwei Beispiele von » Die Diskussion um die Kosten der Fondsanlage treibt inzwischen wirklich seltsame Blüten. « Georg Kornmayer, Fondsnet FOTO: © CORNELIS GOLLHARDT 366 fondsprofessionell.de 1/2022 VERTRIEB & PRAXIS Roundtable | Zukunft der Beratung
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