FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 1/2022

nachhaltige Investitionen im Sinne der sozialen und der Governance-Ziele gemäß Offenlegungsverordnung (SFDR) vorsehen. In beiden Kategorien sind sowohl Fonds nach Artikel 9 SFDR (in der Branche gern als „Impact-Fonds“ bezeichnet) richtig auf- gehoben als auch solche nach Artikel 8, so- fern sie die genannten Kriterien erfüllen. Die „PAI“-Rubrik ist für Artikel-8-Fonds vorgesehen, die zusätzlich die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen („Principal Ad- verse Impacts“, PAIs) berücksichtigen – in der Branche ist häufig von „Artikel 8+“ die Rede. Die SFDR definiert 18 sogenannte Standard-PAIs für unterschiedliche Asset- klassen. Die Liste reicht von den Treibhaus- gasemissionen über den Anteil gefährlicher Abfälle bis hin zum „Gender Pay Gap“. Warum sieht das Konzept Mindestausschlüsse vor? Das Verbändekonzept geht an einigen Stel- len über die Mifid II hinaus, etwa mit der Forderung, einen anerkannten Branchen- standard zu berücksichtigen. Bei Asset Ma- nagern umstritten waren insbesondere die Mindestausschlüsse in der PAI-Kategorie. Unternehmen mit relevantem Umsatz mit Rüstungsgütern (>10%),Tabak (>5%) oder Kohle (>30%) sind tabu.Auch schwere Ver- stöße gegen die Prinzipien des UN Global Compact (bei Firmen) oder Demokratie und Menschenrechte (Staaten) werden mit Ausschluss geahndet. Diese Mindestkrite- rien wurden auf Wunsch der Banken er- gänzt. Sie möchten vermeiden, dass sie ih- ren Kunden nachhaltige Fonds empfehlen, in denen sich Aktien von Unternehmen finden, die einen hohen Umsatz mit Tabak oder Kohle erwirtschaften.Denn das könn- te für unangenehme Nachfragen sorgen. Warum wird Kernkraft nicht ausgeschlossen? Kernenergie steht nicht auf der Ausschluss- liste. „Als die Arbeit am Zielmarktkonzept begann, gab es in der EU keine einheitliche Meinung zur Atomkraft“, erläutert BVI- Expertin Niemitz. „Den Ergebnissen dieser politischen Diskussion wollten wir nicht vorgreifen.“ Inzwischen ist klar, dass die EU- Kommission Investitionen in Kernkraftwer- ke unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig einstufen möchte. Fonds, die sich an der Taxonomie orientieren, könn- ten künftig also auch Atomaktien halten. Hätten sich die Verbände in ihremKonzept auf Kernenergie als Ausschlusskriterium ge- einigt, wären solche Produkte auf keiner Empfehlungsliste einer deutschen Bank ge- landet. Nun müssen die Fondsselektoren weitere Datenbanken bemühen. Wie funktioniert der Informa- tionsaustausch in der Praxis? Deutschlands Finanzbranche verlässt sich auf WM Datenservice als zentralen Daten- dienstleister. Das Unternehmen sammelt alle relevanten Informationen bei den Pro- duktanbietern ein, die die Vertriebe dann über eine Datenbank automatisiert abrufen können. Seit Wochen wird daran gearbei- tet, das Verbändekonzept in die bestehen- den Systeme zu integrieren.Das Ziel: Künf- tig kann ein Anlageberater für einen Kun- den, der mit seinem Geld zum Klima- schutz beitragen will, in seiner Beratungs- software auf Knopfdruck Fonds mit genau diesem Schwerpunkt herausfiltern.Die hie- sigen Anbieter und internationale Asset Manager mit großemDeutschlandgeschäft liefern ihre Daten meist direkt an WM. Andere Häuser werden nur das „European ESG Template“ (EET) befüllen, ein in vie- len anderen EU-Ländern genutztes Stan- darddokument mit allen ESG-relevanten Informationen eines Fonds. „Das EET ent- hält unter anderem alle Daten, die nötig sind, um einen Fonds gemäß Zielmarkt- konzept einzuordnen“, betont Niemitz. „So ist sichergestellt, dass das Konzept auch auf Fonds von Asset Managern anwendbar ist, die WM nicht direkt beliefern, und auslän- dische Anbieter zudem wissen, was der deutsche Markt benötigt.“ Ist das System pünktlich zum 2. August startklar? Die nötigsten Daten für die Fondsklassifi- zierung dürften pünktlich vorliegen. Nur: So, wie die EU sich die Umsetzung eigent- lich vorgestellt hatte, kann sie gar nicht stattfinden. Denn wichtige Regulierungs- standards (RTS), die die Vorgaben der Offenlegungsverordnung präzisieren wer- den, sind erst ab 1. Januar 2023 anzuwen- den. Da geht es etwa um die Frage, was genau im Verkaufsprospekt stehen muss und wie das regelmäßige Reporting ausse- hen wird. „So könnte es passieren, dass die Kapitalverwaltungsgesellschaft zwar an WM meldet, welchen Mindestanteil an auswirkungsbezogenen Investments ein Fonds vorsieht, der Anleger diese Informa- tion aber gar nicht verifizieren kann, weil sie noch nicht im Verkaufsprospekt steht“, sagt Niemitz. Der BVI hofft daher, dass der Start der ESG-Präferenzabfrage noch ein- mal verschoben wird. BERND MIKOSCH FP » Als die Arbeit am Ziel- marktkonzept begann, gab es in der EU keine einheitliche Meinung zur Atomkraft. « Anna Niemitz, BVI STEUER & RECHT ESG-Zielmarktkonzept 428 fondsprofessionell.de 1/2022 FOTO: © BVI

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