FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2022

Leihe ohne Reue Viele Fonds erzielen Zusatzeinnahmen aus der Wertpapierleihe. Das Verfahren gilt als sicher, von geschädigten Endkunden ist nichts bekannt. Dennoch gibt es Kritik. Was Berater wissen müssen. D er Videospielehändler Gamestop sorg- te im vergangenen Jahr weltweit für Aufsehen, als die Aktie zum Ziel von Shortsellern wurde.Diese leihen sich in der Regel die entsprechende Aktie und wetten auf sinkende Kurse. Gamestop machte vor allem deshalb Schlagzeilen, weil sich Klein- anleger über die Internetplattform Reddit zusammenschlossen und mit massiven Käufen den Gamestop-Kurs in absurde Höhen und die Spekulanten zum flucht- artigen und oft verlustreichen Rückzug aus ihren Short-Positionen trieben. Fondsanleger haben mit solchen Speku- lationsattacken oft mehr zu tun, als sie glauben. Zahlreiche Asset Manager ver- leihen gegen Gebühren Wertpapiere aus ihren Portfolios an Hedgefonds und ande- re institutionelle Investoren. Das müssen nicht immer Shortseller sein, teils leihen sich Profianleger Aktien für Arbitrage- Geschäfte oder um ihr Stimmgewicht auf Hauptversammlungen zu erhöhen. Für die Fonds stellen die Leihgebühren eine zusätz- liche Ertragsquelle dar, die auch den Kunden zugutekommt. Wie stark ETF- und Fondsanleger von der Wertpapierleihe profitieren, ist aber umstritten und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Boomendes Geschäft Vor allem bei ETFs wird die Wertpapier- leihe immer wieder zum Thema, aber auch aktive Fonds betreiben diese Praxis. Denn grundsätzlich dürfen alle UCITS- Fonds und -ETFs bis zu 100 Prozent ihres Wertpapierbestands verleihen. Allerdings entscheiden die Asset Manager selbst, wel- che Fonds Wertpapierleihe betreiben, und setzen meist engere Obergrenzen. So be- treibt die DWS-ETF-Sparte Xtrackers bei rund der Hälfte ihrer ETFs Wertpapierlei- he, bei anderen Anbietern sieht das ähnlich aus. Bei Blackrock hatten die an der Praxis teilnehmenden europäischen Fonds und ETFs im Jahr 2020 im Durchschnitt rund zehn Prozent ihres Nettoinventarwertes ver- liehen. Auch institutionelle Investoren wie Banken oder Pensionskassen verleihen Aktien und Anleihen. Dabei geht es um gigantische Summen. Eric Wiese,Geschäfts- führer der Netfonds-Tochter NFS Ham- burger Vermögen, beziffert das gesamte Volumen an entliehenen Aktien auf rund 1,5 Billionen Euro. Keine Frage: Das Leih- geschäft brummt. Als Entleiher kommen nur institutionel- le Anleger mit guter Kreditwürdigkeit in Frage. Haben sich Ver- und Entleiher auf Konditionen und Leihgebühr verständigt, hinterlegt der Entleiher Sicherheiten,meist in Form von Cash, hochwertigen Staats- und Unternehmensanleihen oder Aktien. Die Sicherheiten müssen diversifiziert sein, keine einzelne Position darf mehr als 30 Prozent ausmachen. Zudem muss der Wert der Sicherheiten den der entliehenen Papiere übersteigen. So ist bei Anleihen Wer in der Bücherei ein Buch aus- leiht, braucht meist nur einen Biblio- theksausweis. Weitere Sicherheiten werden nicht gefordert. Bei der Wert- papierleihe ist das anders, dort ist sogar eine „Übersicherung“ Pflicht. » Grundsätzlich besteht ein Interessenkonflikt zwischen Fondskunde und Entleiher. « Detlef Glow, Refinitiv Lipper MARKT & STRATEGIE Wertpapierleihe 126 fondsprofessionell.de 2/2022 FOTO: © ROBERT KNESCHKE | STOCK.ADOBE.COM

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