FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2022
Erholung der weltweiten Luftfahrtindustrie im Allgemeinen.“ Zu einer marktrelevanten Angebotsver- knappung kommt es neben ihrem Alter auch wegen des Flugzeugtyps der fragli- chen Maschinen nicht, denn zumGroßteil handle es sich um sogenannte Narrow- bodies, sagt Mailly, also Flieger mit nur einem Gang in der Mitte wie beispiels- weise bei den sehr gängigen Typen Boeing 737 oder A320. „Würde es sich um Wide- bodies handeln, wäre das anders“, ergänzt Mailly, der das Management von vier Boeing 777 und zwölf A380 in Flugzeug- Publikumsfonds verantwortet. Enormer Schaden Der zu befürchtende Schaden für die Branche ist dennoch immens. Allein die amerikanische Air Lease Corporation, von deren Flugzeugflotte 21 Maschinen fest- sitzen und bei denen das Unternehmen davon ausgeht, sie nicht wieder in ihren Besitz zu bekommen, rechnet mit einer Ab- schreibung von 800 Millionen US-Dollar. Die Ratingagentur Moody’s errechnete kürzlich, dass auf die Flugzeugversicherer Forderungen der Branche von bis zu elf Milliarden US-Dollar zukommen könnten. Es könnte sich, so Moody’s, um das größte direkte Schadenereignis handeln, das der Assekuranz aus dem Einmarsch Russlands in die Ukraine erwächst. Versicherungen Neben den Flug- und den Leasinggesell- schaften sind folglich auch die Versicherer massiv von der Situation betroffen. „So- wohl die Airlines als auch die Eigentümer- gesellschaften der Flugzeuge werden ver- suchen, ihre Versicherung in Anspruch zu nehmen“, sagt Anwalt Pickartz. „Wir sind sicher, dass es zu entsprechenden Gerichts- verfahren kommen wird, denn bei der Größenordnung der Werte, um die es hier geht, wird mit Regelungen auf Basis von Kulanz kaum zu rechnen sein.“ Einige Ver- sicherer gehen wohl davon aus, dass die vertragsüblichen Sanktionsklauseln alle gel- ten und deswegen generell kein Versiche- rungsschutz bestehen würde. Es gab aller- dings auch einige Versicherungsgesellschaf- ten, die in ihren Verträgen noch Anfang März die aus dem Ukraine-Konflikt resul- tierenden Risiken ausgeschlossen haben. „Ein Versicherungsfall im eigentlichen Sinne war nämlich insofern noch nicht eingetreten, als das russische Gesetz, das die Enteignung der Flugzeuge verfügte, erst danach in Kraft trat“, beschreibt Pickartz den verzwickten rechtlichen Hintergrund. Unabhängig von seiner Auslegung ist der rechtliche Rahmen der Sanktionen selbst noch im Fluss. „Zum Ende der Frist, zu der westliche Leasinggeber ihre Verträge kündigen mussten, hat die EU-Kommis- sion einige Bestimmungen noch mal neu ausgelegt und damit dafür gesorgt, dass Fälle rechtlich wieder versicherbar wurden, die viele Beobachter schon für ausgeschlos- sen gehalten haben“, erläutert Pickartz. Eine entscheidende Frage dabei ist, ab wann die jeweiligen Sanktionen im juristi- schen Sinne gelten. Gegebenenfalls kann sich eine Versicherung dann nämlich nicht hinter Sanktionsklauseln verstecken, wenn zwar schon ein Schaden eingetreten ist, die Sanktion aber erst danach auch juristisch wirksam ist. „Letztlich gilt, dass man sich jeden Fall einzeln daraufhin anschauen muss, wann welche Bedingungen genau gegolten haben“, so der Anwalt. Investmentchance Es gibt Hedgefonds, die überlegen, Wetten auf die weitere Entwicklung abzu- schließen. Pickartz erläutert das Geschäfts- modell: „Zum Beispiel könnten sie die – vermeintlichen – Versicherungsansprüche kaufen und versuchen, mehr Versiche- rungsleistung zu realisieren, als sie die Überlassung der Ansprüche aus den ent- sprechenden Verträgen gekostet hat.“ TILMAN WELTHER FP Volker Vogler, Muzinich: „Wir erwarten nur geringe Auswirkungen auf die weitere Erholung der weltweiten Luftfahrtindustrie im Allgemeinen.“ Udo Pickartz, Simmons & Simmons: „Man muss sich jeden Fall einzeln daraufhin anschauen, wann welche Bedingungen genau gegolten haben.“ » Putin hat russischen Airlines erlaubt, die Flugzeuge lokal zu registrieren. « Sibylle Pähler, Doric SACHWERTE Flugzeugfonds 258 fondsprofessionell.de 2/2022 FOTO: © SARA LACUESTA-CALVO | MUZINICH, SIMMONS & SIMMONS
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