FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2022
Schwierige Grenz ziehung Versicherungsmakler gelten als unabhängig. Doch wann endet diese Unabhängigkeit? Die Justiz zog jüngst nahezu unbemerkt Grenzen – nicht immer stringent und sachlich sinnvoll. D erzeit gibt es in Deutschland fast 193.000 Versicherungsvermittler, da- runter über 46.300 Makler. Interessant: Zusätzlich sind 162 „produktakzessorische Makler“ zugelassen. Darunter fallen etwa Autohändler, die ihren Kunden eine Kfz- Police vermitteln, oder Hauskreditexperten, die sich auch um eine Restschuldversiche- rung kümmern.Die meisten produktakzes- sorischen Vermittler – zuletzt gut 5.000 – sind jedoch Vertreter. „Das Gros der Versicherungsvermittler sind Vertreter, also im Auftrag eines Versi- cherers tätig“, sagt Mona Moraht, Referats- leiterin Gewerberecht beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (siehe Grafik nächste Seite). Die rund 146.000 Vertreter sind dem Lager der Versicherer zuzurechnen, während Makler im Lager der Kunden stehen. Daran ändert auch nichts, dass Makler von den Produktanbie- tern für erfolgreiche Vermittlung bezahlt werden. Der Bundesgerichthof (BGH) hat dies vor langer Zeit entschieden. Demnach ist der Versicherungsmakler treuhänderi- scher Sachwalter des Versicherungsneh- mers, auch wenn er sein „Vermittlungsho- norar als Courtage für den Abschluss vom Versicherer bezieht“ (Az.: IVa ZR 190/83; Urteil vom 22. Mai 1985). Versicherungsmakler sehen ihre Unab- hängigkeit vor allem in der Möglichkeit zur freien Produktauswahl, in fehlenden Produktvorgaben der Versicherer, unterblie- bener Einflussnahme von Führungskräften der Assekuranz und der Chance auf Mak- lervollmachten der Kunden. Zu diesem Ergebnis kam kürzlich die Studie „Pools und Dienstleister für Versicherungsmakler“, für die Matthias Beenken, Professor an der Fachhochschule Dortmund, im Herbst 2021 gut 200 kleine und mittelständische Makler mit jeweils bis zu 100 Mitarbeitern befragen ließ. Die Freiheit, Pools und Dienstleister zu beauftragen, liegt bei der Unabhängigkeitseinschätzung der Makler ebenfalls relativ weit vorn. Kooperation mit Risiko Allerding beinhaltet die Kooperation mit Pools womöglich auch Faktoren, die die Unabhängigkeit einschränken können. So nutzen Makler laut Beenken häufig „kos- tenlose“Dienste von Pools, etwa Vergleichs- software (50 Prozent), Beratungssoftware (34,8 Prozent) und Unterlagen zur Ange- botserstellung (25,5 Prozent). „Sehr viele Teilnehmer beziehen ihre zentrale Software, mit der sie sich das Marktangebot erschlie- ßen und auf deren Basis sie Produktemp- fehlungen aussprechen, kostenfrei über Pools und Verbünde“, sagt Beenken. Er empfiehlt, in Zukunft etwas genauer hinzu- schauen und sich gegebenenfalls beim Pool rückzuversichern, dass das genutzte Tool eine hinreichende Zahl von Anbietern in den Vergleich mit einbezieht. „Eine kosten- » Zum Berufsbild des Versicherungsmaklers gehört untrennbar, dass er allein die Kunden- interessen vertritt. « Hans-Georg Jenssen, BDVM Wo verläuft die Grenze? In früheren Jahrhunderten orientierten sich die Entdecker gern an Bergketten oder Flüssen. Heute ist es oft an Juristen, wenn es darum geht, in übertra- genem Sinne Grenzen auszuloten. FONDS & VERSICHERUNG Makler 276 fondsprofessionell.de 2/2022 FOTO: © TRYFONOV | STOCK.ADOBE.COM
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