FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2022

zu schlagen“, weiß Expertin Müller. Sie berichtet von einer Studie, bei der Berater aktuelle Fotos ihrer Kunden mit einer App so veränderten, dass sie ihrem 60-jährigen Ich gegenüberstanden. Das motivierte die Mandanten, verstärkt Altersvorsorge für diese „reale“ Person zu betreiben. Auf Augenhöhe „Vor der Beratung kann der Finanzprofi den Kunden auch informative Videos an die Hand geben“, sagt Müller. Dadurch machen sie sich vor dem eigentlichen Beratungsgespräch bereits mit den Inhalten vertraut. Unterstützend kann dem Kunden auch ein Fragebogen zur Ermittlung seiner eigenen finanziellen Risikobereitschaft an die Hand gegeben werden. Der Pluspunkt: Wenn er sich mit dem Thema beschäftigt hat, fühlt er sich im Gespräch eher als kompetenter aktiver Entscheider und mit dem Berater auf Augenhöhe. „Im Beratungsgespräch können dann digitale Programme helfen“, sagt Professor Weber. Beispielsweise kann der Rendite- verlauf einer Anlage dargestellt werden. Diese Verteilung kann per Knopfdruck verändert werden. So hat der Kunde die Möglichkeit, die Veränderung – besser als auf Papier – nachzuvollziehen. „Kunden sind dann eher bereit, ein Risiko einzugehen, weil sie es besser verstehen“, erklärt Weber. Bei einer fonds- gebundenen Altersvorsorge könnten Formblätter mit Mul- tiple-Choice-Charakter als eine Art Nudge genutzt werden. Wird das Blatt so gestaltet, dass eine Auswahl zwischen zwei Fonds besteht, entscheiden sich die meisten Kunden, zu glei- chen Teilen in die vorgegebe- nen Fonds zu investieren. Stellt das Fondsblatt drei Optionen zur Verfügung, zeigt sich das gleiche Phänomen. „Der Bera- ter könnte den Kunden also in die Rich- tung schubsen, die er sich wünscht“, erläu- tert Weber. Gerade in der Altersvorsorge müsse aber vorsichtig „genudgt“ werden, mahnt der Experte. Schließlich handelt es sich um einen langen Zeitraum, in dem der Kunde auf einen Teil seines Geldes verzichtet. Die Nudges müssen also stets in seinem Sinne erfolgen. „Beim Nudging geht es immer um eine Gratwanderung“, sagt Expertin Stampfl.Mit punktuellen Stupsern soll der Spagat zwischen Einflussnahme und indi- vidueller Autonomie gelingen. Neuer Begriff könnte helfen Sollen junge Leute dazu gebracht wer- den, sich mit der „leidigen Altersvorsorge“ zu beschäftigen, könnte schon ein neuer Begriff ein erster Stupser sein, glaubt Monika Müller. Immerhin steckt in „Altersvorsorge“das Wort „Alter“– und das ist gerade in ganz jungen Jahren einfach noch kein Thema. Allein schon der Begriff stellt daher eine Hürde dar. „Worte sind anziehend: Da könnte ein neuer Name helfen“, erläutert die Psychologin. „Zusätzlich stehen enorm viele Dinge in Konkurrenz zur Altersvorsorge“, sagt Mül- ler. Der größte Gegner: Viele junge Men- schen empfinden sich als in- kompetente Finanzentscheider. Daher beschäftigen sie sich nicht mit dem Thema. „Vor- sorge ist schön und gut, aber wenn nicht gelernt wurde, gute und nachhaltige Entscheidun- gen zu treffen, erschreckt der ältere Mensch später vor dem angesparten Geld“, erklärt Mül- ler. „Dann wissen Menschen, wie sie sparen, haben aber nicht gelernt, das Ersparte wie- der loszulassen.“ Damit junge Leute später nicht vor diesem Problem ste- hen, schadet es nicht zu sehen, was das Alter so alles mit sich bringen kann – und dafür ein- fach mal eine App zu nutzen. ANNA SCHLEIERMACHER FP » Kunden sind eher bereit, ein Risiko einzugehen, wenn sie es besser verstehen. « Martin Weber, Universität Mannheim Viele Skeptiker Frage: Wie entwickelt sich das Niveau der gesetzlichen Rente in den nächsten zehn bis 20 Jahren?* Fast 60 Prozent der Befragten befürchten, dass die gesetzliche Rente in den kommenden zehn bis 20 Jahren immer weiter sinken wird. *Umfrageunter je rund2.000Bundesbürgern Quelle:Deutsches Institut fürVermögensbildungundAlterssicherung (DIVA) 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Herbst 2021 Herbst 2020 Verbessern Gleich bleiben Verschlechtern 53,7 % 32,3 % 14,0 % 58,2 % 25,3 % 16,2 % VERTRIEB & PRAXIS Nudging 356 fondsprofessionell.de 2/2022 FOTO: © CHRISTOPH HEMMERICH

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