FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2022
Ziele gemäß der EU-Offenlegungsverord- nung vorsehen. Diese Ergänzung ist not- wendig, weil eine Taxonomie bisher nur für den Bereich Ökologie existiert. Gewählt werden können auch Finanzinstrumente, bei denen die wichtigsten „nachteiligen Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfak- toren“ (PAI) berücksichtigt werden. Der Grund dieser komplizierten Definitionen: „Die EU-Kommission wollte verhindern, dass jeder Finanzmarktteilnehmer seine eigene Definition von Nachhaltigkeit ver- wendet, was zu einem ‚Greenwashing‘ von Produkten hätte führen können“, sagt Christian Waigel, Partner der Münchner Kanzlei Waigel Rechtsanwälte. Zum anderen ergänzt die Änderungs- verordnung 2021/1257 den Artikel 9 des älteren Regelwerks, der die Geeignetheits- prüfung zum Inhalt hat, um eben diese Nachhaltigkeitsaspekte. Damit müssen Ver- sicherungsvermittler als Basis für ihre Emp- fehlung nicht mehr nur die Kenntnisse, Wünsche und die Risikotoleranz eines Kunden abfragen, sondern auch ihre Nach- haltigkeitspräferenzen erheben. Das Ein- sammeln dieser Informationen ist sowohl beim erstmaligen Verkauf als auch bei der fortlaufenden Beratung vorgeschrieben, etwa bei einem Fondstausch innerhalb einer fondsgebundenen Police. Dass die meisten Passagen übrigens wortgleich in der Änderungsverordnung 2021/1253 für die Finanzmarktrichtlinie Mifid II zu fin- den sind, hat System: „Das war vom EU- Gesetzgeber so gewollt, es handelt sich in beiden Fällen schließlich um Anlagepro- dukte“, erklärt Waigel. Auf den ersten Blick gilt es künftig also lediglich, bei der Geeignetheitsprüfung einen weiteren Aspekt abzufragen. Doch ganz so einfach ist es nicht. Es beginnt schon damit, dass hinter den genannten ESG-Präferenzen komplexe Regelwerke ste- hen. „Die Berater müssen ihren Kunden zunächst erklären, was sich hinter all diesen Nachhaltigkeitsbegriffen verbirgt“, sagt Jens Göhner, Leiter Produkt- und Vertriebs- marketing Vorsorge und Investment bei der Stuttgarter Lebensversicherung. Ohne Erläuterungen vor der eigentlichen Bera- tung dürften die meisten Kunden mit Be- griffen wie Taxonomie oder Offenlegungs- verordnung nichts anfangen können. Die EU-Versicherungsaufsicht EIOPA rät daher, dass Vermittler sich selbst fortbilden, um ihre Kunden informieren zu können. EIOPA-Leitlinien Ferner gibt die Verordnung keine Details zum Ablauf der überarbeiteten Geeignet- heitsprüfung. Um Beratern zu helfen, hat ein Ausschuss am Deutschen Institut für Normung (DIN) ein ESG-Modul für seine Finanzanalyse erarbeitet (siehe Kasten nächste Seite). Unterstützung kommt auch von der EIOPA. Sie stellte im April sieben Leitlinien für die Abfrage zur Konsultation, deten Ergebnis bei Redaktionsschluss aber noch nicht vorlag. Beispielsweise stimmt die Aufsicht Experten wie Göhner zu, dass die Kunden vor der Geeignetheitsprüfung über die möglichen Nachhaltigkeitsaus- prägungen aufgeklärt werden müssen. Das soll in einer klaren, verständlichen Sprache erfolgen. In der Geeignetheitsprüfung sol- len zunächst wie bisher die Anlageziele, Wünsche und Risikotoleranz ermittelt wer- den und dann erst die Nachhaltigkeitsprä- ferenzen – hat der Kunde keine, läuft die Beratung wie gewohnt weiter. Hier spielt ein anderer wichtiger Punkt hinein: Die Änderungsverordnung schreibt vor, dass Kunden einen Anteil der jeweili- gen nachhaltigen Strategien für die Gesamt- investition benennen sollen.Die EIOPA rät daher, dass stets nach Mindestanteilen statt nach festen Bandbreiten (von … bis … Prozent) gefragt werden soll. Für den ab- schließenden Produktabgleich empfiehlt die Behörde, dass Policen zunächst auf Basis des Wissens, der finanziellen Situation und der Anlageziele ausgesucht werden. In einem zweiten Schritt sollen aus diesen sol- che gewählt werden, die den Nachhaltig- keitspräferenzen entsprechen. Wenn kein Versicherungsanlageprodukt mit den er- mittelten ESG-Vorlieben übereinstimmt, gibt es auch eine Lösung: „In diesem Fall darf der Berater keine Empfehlung ausspre- chen“, betont Waigel. „Allerdings kann der Kunde seine Nachhaltigkeitspräferenzen nachträglich anpassen.“ Diese Kunden- entscheidung und die Begründung dafür müssten jedoch klar dokumentiert werden. Kleines Sortiment Mit dieser Vorgabe beweist die Kommis- sion Realitätssinn, denn zumindest am An- fang dürfte die Produktauswahl sehr einge- schränkt sein. De facto wird es kaum nach- haltige Produkte im Sinne der Kommis- sion geben. „Die Taxonomie-Verordnung macht sehr detaillierte Vorgaben, wann ein Unternehmen ökologisch nachhaltig wirt- schaftet. Das müssen die Firmen in ihren nichtfinanziellen Reports melden, aller- dings erst ab 2023 rückblickend für 2022“, » Berater müssen ihren Kunden erklären, was sich hinter all diesen Nachhaltigkeits- begriffen verbirgt. « Jens Göhner, Stuttgarter Leben STEUER & RECHT Nachhaltigkeitspräferenzen 430 fondsprofessionell.de 2/2022 FOTO: © WAIGEL RECHTSANWÄLTE
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