FONDS professionell Deutschland, Ausgabe 2/2022

so Waigel. Die Offenlegungsverordnung liefert laut Waigel zwar brauchbare Defini- tionen und umfasst auch soziale Belange, allerdings fehlen Finanzdienstleistern zur Einstufung ihrer Produkte gemäß dieser Verordnung Schlüsselindikatoren und an- dere Vorgaben, die in technischen Regulie- rungsstandards (RTS) geregelt werden. Die- se gelten jedoch erst ab dem Jahresende. Lediglich auf Basis der „nachteiligen Aus- wirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren“ (PAI, Principal Adverse Impact) könnten Produkte eingestuft werden: „Der EU-Ge- setzgeber hat 18 Definitionen für PAI ent- wickelt. Für die zugrunde liegenden RTS gibt es bereits einen zweiten Entwurf, so- dass die Vorgaben noch rechtzeitig veröf- fentlicht werden könnten“, berichtet Waigel. Branchenkenner gehen davon aus, dass Ver- sicherer oder auch Maklerpools versuchen werden, auf Basis der vorhandenen Infor- mationen der Produktgeber nach bestem Wissen übergangsweise eine gewisse Aus- wahl je Nachhaltigkeitskategorie anzubie- ten. Vielleicht orientieren sich auch am Zielmarktkonzept, das die Branchenver- bände der Fondsgesellschaften (BVI), Ban- ken (DK) und Derivateanbieter (DDV) ent- wickelt haben (siehe FONDS professionell 1/2022, Seite 426). Grüner Deckungsstock? Versicherer stehen nun vor zwei Pro- blemen. Bei reinen Fondspolicen böte es sich zwar an, sich auf die Informationen der Asset Manager zu stützen, die ihre Daten entweder gemäß des Zielmarktkon- zepts oder über das „European ESG Tem- plate“ (EET) liefern, ein Standarddokument, das alle ESG-relevanten Informationen eines Fonds bündelt. Viele Investmenthäu- ser stellen diese Informationen aber noch gar nicht zur Verfügung. Zudem müssen Versicherer klassische Lebens- und Indexpolicen sowie Hybrid- produkte, bei denen die gesamten oder Tei- le der Prämien in den Deckungsstock des Versicherers fließen, selbst einordnen. „Die Versicherer müssen sich ESG-Daten für die Kapitalanlagen in ihrem Sicherungsvermö- gen beschaffen und in einem eigenen EET zusammenfassen“, sagt Göhner. Kein leich- tes Unterfangen: Für einige Assetklassen existieren die Informationen, die für eine Einstufung gemäß Taxonomie- oder der Offenlegungsverordnung benötigt würden, gar nicht. „Das betrifft etwa besonders Infrastrukturinvestments wie Beteiligungen anWindkraft- oder Solaranlagen“, sagt Göh- ner. „Das Ergebnis: Im gesamten Markt wird die Aussagekraft zur Nachhaltigkeit des Sicherungsvermögens dieses Jahr noch sehr eingeschränkt sein.“ Und wenn Versi- cherer für Indexpolicen selbst kreierte Indi- zes verwenden, müssen sie auch für diese ein EET entwickeln. JENS BREDENBALS FP Nachhaltig ergänzte DIN-Analyse Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat ein Zusatzmodul zur DIN 77230 Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte erarbeitet, das die Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen beinhaltet. Die Veröffentlichung ist für Juli geplant. „Der Fragenkatalog orientiert sich zwar an der komplexen ESG-Regulatorik der EU- Kommission und erfüllt ihre Anforderungen, han- gelt sich aber nicht an ihr entlang“, erklärt Klaus Möller, Obmann des DIN-Ausschusses und Vor- stand des Norm-Initiators Defino Institut. Kunden würden diese nicht verstehen. Stattdessen werde allgemein verständlich erfragt, ob und wie ein Kunde bei der Geldanlage oder der Altersvorsorge das Thema Nachhaltigkeit berücksich- tigen möchte. Insgesamt sieben Fragen sollen den Berater zum Ziel führen – nachdem grundsätzlich der Informationsbedarf des Kunden zu ESG erörtert wurde. Die Frage 1 soll zunächst klären, ob Kunden überhaupt ESG-Aspekte berücksichtigt haben möchten. Wenn nicht, geht es direkt zur Schlussfrage, ob dennoch vielleicht Aus- schlüsse (etwa Atomkraft) gewünscht sind. Die Fragen 2 und 3 befassen sich damit, ob Klienten bei der Anlage Schwerpunkte wie Umwelt oder soziale Themen setzen möchten und ob sie innerhalb dieser Aspekte bestimmte Einzelthemen favorisieren. Mit Frage 4 wird entschieden, wie intensiv die ESG-Aspekte umgesetzt werden sollen. Frage 5 klärt, wie hoch der Anteil solcher Investments im Kundenportfolio sein soll. Punkt 6 fragt, ob nur in Unternehmen inves- tiert werden soll, die schon nachhaltig arbeiten, oder auch in solche, die das vorbereiten. Im letzten Punkt wird nach Ausschlüssen gefragt, darauf folgt die Ergebnisdarstellung. » Der Kunde kann seine Nachhaltigkeits- präferenzen nach- träglich anpassen. « Christian Waigel, Waigel Rechtsanwälte STEUER & RECHT Nachhaltigkeitspräferenzen 432 fondsprofessionell.de 2/2022 FOTO: © THOMAS BERNHARDT

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